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Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)

Titel: Mission Herodes - Die vier Reiche (German Edition)
Autoren: Patrick R.Ullrich
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selbst geschüttet hatte, in bierseliger Laune; und hieb den Sohn vom Wissert derbe auf den Rücken. »Sie hat es nicht bös gemeint, Bub. Pass eben gut auf mit der Axt und, wenn es unbedingt sein muss, dann hau dir nicht ins Bein, sondern in den Schädel, denn da trifft sie wenigstens auf Holz!« Sprach´s und lachte selbst am ausgiebigsten über seinen Scherz auf Kosten des Jungen, der übellaunig zu dem Kind aufsah. Das erwiderte jedoch seinen Blick so klar und fest, dass er verdutzt innehielt. Der Blick dieser grauen Augen bohrte sich unangenehm in den seinen, und obwohl sie die Lippen nicht bewegte, hörte er ihre Stimme, als wäre sie in seinem Kopf. »Nicht wahr, du wirst achthaben beim Holzschlagen?«
    So sehr ihn die Gewissheit, mit der die Kleine sprach, frösteln ließ, so sehr war er der Meinung, an diesem Morgen schon genug Schmach erfahren zu haben. Wer war er denn, sich von einem kleinen Mädchen zur Vorsicht mahnen zu lassen? Er führte die Axt, die große, die eines Mannes, nun schon seit über einem Jahr. Geräuschvoll und, wie er meinte, männlich, zog er die Nase hoch, spuckte im hohen Bogen aus und würdigte die vorlaute Göre, um die man für sein Empfinden viel zu viel Aufhebens machte, keines Blickes mehr. Immerhin war es das Kalb seiner Familie und nicht das dieser Habenichtse. Der grobe Witz des Vorstehers hatte die Mauer des Schweigens durchbrochen und allenthalben feierte und lachte man wieder. Keiner sprach mehr über den Vorfall und wahrscheinlich wollte es auch niemand. Mors und Ariane tauschten einen erleichterten Blick und nutzen die erste Gelegenheit, die Wissertsche Scheuer zu verlassen.
    Drei Tage später jedoch war Jone, der Sohn des Holzfällers Wissert, tot. Im Wald fand man ihn, nachdem er nicht zum Essen heimkam und er war ganz weiß, und der Boden unter ihm satt von seinem Blut. Die Axt, die große, die, die von Männern geführt wurde, hatte sein linkes Bein in Höhe der Wade fast durchtrennt.

Die letzte Reise
    E r war in den frühen Morgenstunden erwacht, wie so oft in den letzten Jahren. Alte brauchen nun einmal nicht mehr viel Schlaf, das geht den Leuten wie den Menschen, und den Magiern eben auch, dachte er mit einem unlustigen Humor, der ihm in den letzten Jahren zu eigen geworden war. So quälte er sich nicht lang damit, zwecklos sich im Bett herumzudrehen, auf der Suche nach etwas mehr Ruhe, sondern stand auf, hieß den herbeieilenden Adepten, Tee zu bereiten und lehnte jedweitere Hilfe ab. Das Nachtgewand, zu lösen am Hals, glitt zu Boden, denn seine Schultergelenke mochten Überkopfbewegungen nicht mehr leiden. Nackt trat er an die irdene Waschschüssel, die in bequemer Höhe von gewundenem Schmiedeeisen gehalten wurde, und vermied es, in den Spiegel zu blicken. Lange schon gefiel ihm nicht mehr, was er dort sah, und so manches Mal war das Antlitz fremd. Für einen Moment hielt er seinen langen, knochigen Finger in das Wasser, brachte es Kraft seiner Gedanken auf die gewünschte Temperatur. Sorgfältig wusch er sich den Nachtschweiß vom ausgemergelten Körper und legte einen seiner Morgenmäntel an. Er hatte derer ein gutes Dutzend – was ein ungeheurer Luxus war – und nicht selten verbrachte er den halben Tag in einem von ihnen. Elfische Seide! Hochgenuss! Wohltat über alle Maßen! Nicht zuletzt, weil es ihn immer wieder zuverlässig an seine Zeit bei den Elfen erinnerte. Lange Jahre waren seither vergangen und noch immer wirkte die kunstvoll gewobene Pracht wie jene, die sie gewoben hatten – alterslos.
    Wieder der gleiche Traum. Seit fast einem Jahr nun schon, immer wieder. Und das ebenso sichere wie unangenehme Gefühl, in seinen Träumen nicht allein zu sein. Wem oder was aber sollte es gelingen, ihn, den Geistgreifer, zu bespitzeln? Wer konnte in der Lage sein, seine mentalen Barrieren zu überwinden? Und, was fast noch entscheidender war – wer würde es wagen, selbst wenn er dazu imstande wäre? Missmutig drehte er die Kordel seines Gewandes in den knotigen Fingern. Blondes, wildes Haar, ebensolche Augen, grau und von seltsam durchdringendem Aus druck – zumal für ein Kind. Das Entscheidende aber war: Die Allmacht umgab sie wie Wolken ein Bergmassiv. Dunkle Wolken. War sie es?
    Ein Räuspern von der Türe her ließ ihn aufmerken. Der Adept, der den monatlichen Pagendienst zu verrichten hatte, war mit dem Tee zurückgekehrt. Der kurze Seitenblick zu dem Jungen machte ihn lächeln. Nur innerlich, wohlgemerkt. »Du glotzt wie ein Reh bei Gewitter,
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