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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
Autoren: Florian Tausch
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letzten Meter näher trat, flog die rote Glut in hohem Bogen in den Schnee. Dann sprach mich eine Stimme auf Englisch an:
    »Hallo, Nick. Wie ich sehe, hattest du einen gelungenen Junggesellenabschied …«
    »Entschuldigung, kennen wir uns?«
    »Wir haben uns zwar nur einmal persönlich getroffen, aber ich bin mir sicher, dass du dich sehr gut an mich erinnerst. Ich bin Ebi-san.«
    Leichte Panik. Was wollte der hier? Mein Kopf flog von links nach rechts. Lauerten seine Schläger bereits in der Dunkelheit? Ebi schien meine Gedanken erraten zu haben. Einige Augenblicke genoss er schweigend meine Angst. Dann sagte er:
    »Ich bin alleine hier. Natürlich würde es mir gefallen, dich hier im Schnee liegen zu sehen. Aber diese Methode hat schon beim letzten Mal zu nichts geführt, und nur Dummköpfen fällt keine Alternative ein, wenn ihr erster Plan gescheitert ist. Doch ich bin flexibel in der Wahl meiner Mittel. Wovon ich jedoch niemals abweiche, sind meine Ziele. Wenn ich die einmal definiert habe, bleibe ich auch dabei. Und in diesem Fall heißt mein Ziel: Ich will Lien zurück.«
    Wohlgesetzte Worte. Während mein alkoholgeschwängerter Geist noch damit beschäftigt war, die absurde Situation zu verarbeiten, fiel mir auf, dass Ebi unablässig die Nase rann. Er schniefte und wischte sie sich immer wieder verstohlen mit dem Ärmel seines Mantels ab.
    »Taschentuch?«
    Ich hielt ihm grinsend ein Päckchen hin. Widerwillig nahm er es und nestelte ein Papier heraus. Dabei fuhr er mich in altbekannter Manier an:

    »Was gibt es da so dämlich zu lachen? Hörst du mir überhaupt zu?«
    Er senkte seine Nase in das Taschentuch und schnäuzte sich. Es klang wie ein trötender Elefant.
    »Ebi-san«, ich konnte die Belustigung in meiner Stimme kaum unterdrücken, »was willst du von mir?«
    »Dass du die Hochzeit morgen absagst und dich von Lien trennst.«
    »Niemals! Warum sollte ich das tun?«
    »Weil auch du deinen Preis hast. Wie wäre es mit …«, er hielt kurz inne, um seine Worte besser wirken zu lassen, »… sagen wir: 250.000 Dollar?«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Du bezahlst mir 250.000 Dollar, wenn ich die Hochzeit abblase?«
    »Ja. Vorausgesetzt, du verlässt Lien für immer. 25.000 gebe ich dir hier und jetzt. Den Rest lasse ich dir zukommen, wenn Lien wieder in Vietnam ist. Du kannst dich darauf verlassen.« Schon wedelte er mit einem dicken Umschlag herum.
    Das konnte nicht wahr sein! War ich so betrunken? Hatten mir meine Freunde Drogen ins Bier gekippt? Jetzt bietet mir schon zum zweiten Mal heute Nacht jemand Geld an, schoss es mir durch den Kopf, wobei die Viertelmillion von Ebi verführerischer war als die fünf Euro der Taxifahrerin. Dann kam mir ein anderer Gedanke. Endlich begriff ich - und kriegte beinahe einen Lachkrampf:
    »Unfassbar! Wo haben sie dich denn ausgegraben?«
    »Wovon redest du?«
    Der Typ tat so, als würde er nicht verstehen. Doch ich war ihm auf die Schliche gekommen.

    »Du siehst Ebi wirklich unglaublich ähnlich. Der Wahnsinn!«
    »Ich bin Ebi!«
    »Schon gut! Schon gut! Was für ein genialer Scherz von den Jungs. Nicht nur, dass sie mich zum Junggesellenabschied in so ein peinliches Outfit stecken - jetzt schicken sie mir auch noch mitten in der Nacht einen Ebi-Imitator vorbei.« Mein Zwerchfell schmerzte vom Lachen. »Und was macht der? Der bietet mir einen Haufen Kohle für meine Frau! Die Jungs kommen echt auf die unglaublichsten Ideen! Wer hat dich denn gebucht? Peter? Richie?«
    Ich japste nach Luft, doch der Typ war mit seiner Performance noch nicht am Ende:
    »Jetzt hör mal gut zu!«, herrschte er mich an. »Ich bin Ebi-san. Und ich werde mir Lien wiederholen. Du bist genau so käuflich wie jeder andere auch!«
    Ich explodierte vor Lachen.
    »Hör auf! Hör auf! Ich kann nicht mehr … Mein Bauch … Du bist echt super. Großartig!«
    Der Mann trat einen energischen Schritt auf mich zu und stopfte mir den Umschlag in die Manteltasche.
    »Idiot! Werde erst mal wieder nüchtern. Die übrigen 225.000 bekommst du, wenn ich Lien im Haus ihrer Mutter wiedersehe.«
    Damit stieß er mir vor die Brust, so dass ich am Ende des Tages doch noch im Matsch landete, und stapfte in der Dunkelheit davon. Mühsam kam ich wieder auf die Beine und klopfte den Schnee von der Hose. Was für ein Auftritt! Der Junge hatte den Oscar verdient.

30.
    Süß-sauer gilt ja als asiatische Spezialität - und ich bekam sie noch vor dem Frühstück serviert: Lien weckte mich mit sanften, liebevollen
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