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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
Autoren: Florian Tausch
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Wichtigste war doch, dass ich schließlich in einer klirrend kalten Februarnacht auf meinen Junggesellenabschied anstoßen konnte. Und das öfter, als mir mitunter lieb war. Was das Feiern dieses historischen Anlasses anging, kannten meine Freunde kein Erbarmen. Zwischenzeitlich meldete ich ernst gemeinte Bedenken an, ob meine Fähigkeit »Ja, ich will« in der gebotenen Deutlichkeit zu artikulieren bis zum nächsten Nachmittag wiederhergestellt sein würde. Doch die Antwort darauf war nur ein weiteres Glas, das auf einmal auf dem Tisch stand. So ging es Runde um Runde, Stunde um Stunde. Derangiert wäre eine freundliche Beschreibung meines Zustands gewesen, als ich schließlich mit unsicheren Schritten vor die Türe der Bar trat. Es schneite dichte Flocken, die ein böiger Wind durch die Straßen trieb. Immerhin: Die klare, frostige Luft brachte mich ein wenig zu Bewusstsein. Leicht taumelnd erreichte ich die nächste größere Straße und hielt dort Ausschau, bis sich ein leuchtendes Dreigestirn aus Scheinwerfern und Taxischild in der Dunkelheit näherte. Erschöpft plumpste ich auf den Beifahrersitz und nannte die Adresse. Erst dann bemerkte ich, dass eine Frau am Steuer saß. Aschfahle Haut, gelbe Zähne,
schlechte Dauerwelle. Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie mich, während sie Rauch aus dem zerdrückten Rest einer Selbstgedrehten sog. Dann schnippte sie die Kippe aus dem Fenster und starrte mir unverwandt in den Schritt.
    »Na dit is doch mal’nen jeilet Anjebot.«
    Ich hatte es wohl mit einem Wesen zu tun, das man gemeinhin als Berliner Original bezeichnet.
    »Äh, danke! Aber es tut mir leid, meine Schöne: Ich bin bereits vergeben. Morgen heirate ich.«
    »Armer Irrer!« Sie lachte heiser. »Hätt’ dit Anjebot ja jerne mal anjetestet.« Sie deutete mir zwischen die Beine.
    Nicht dass ich gegen die Verlockungen weiblicher Annäherung völlig immun bin, aber diese Offenheit machte mich sprachlos. Mein Blick folgte ihrer ausgestreckten Hand und landete auf der Gürtelschnalle, die immer noch I am Number One! und Für 5 Euro tue ich alles! in die Welt hinaus blinkte. Ich grinste.
    »Tut mir leid, da sollte Für 5 Euro tue ich FAST alles! stehen.«
    »Allet klärchen, meen Süßer. Und vermutlich auch I am Number Two! Aber dann hätt’ ick sowieso keen Interesse mehr.«
    »Wie bedauerlich.«
    »Is ja nich’ so, dat’ne Lady wie icke nüscht zum Kuscheln finden würde.«
    »Natürlich nicht.«
    »Wennste allerdings echt die Nummer eins jewesen wärst, hätt’ ick schon’nen Fünfer springen lassen.« Sie zwinkerte mir zu.
    »Ich fühle mich geehrt. Aber wie gesagt: Das Angebot ist bereits abgelaufen. Morgen geht es zum Standesamt. Ich würde
mich übrigens sehr freuen, wenn Sie mich dorthin fahren würden. Wir brauchen um 14:00 Uhr einen Wagen.«
    »Jebongt, Junge. Die Kutsche wird meen Hochzeitsjeschenk an dich sein.«
    Kurz darauf bogen wir im Schritttempo in die kleine Allee ein, in der sich unsere neue Wohnung befand. Die Nacht war tiefschwarz, nur in den matten Kegeln der Straßenlaternen konnte man das Schneegestöber erkennen.
    »Hier ist es.« Ich deutete auf die dunklen Umrisse des Hauses. Plötzlich meinte ich, in der Nähe der Tür ein schwaches Glimmen auszumachen, doch bevor ich mich vergewissern konnte, war es schon wieder verschwunden. Ich zahlte und stieg aus. Dann eierte ich mit staksigen Schritten über die Straße. Übermäßiger Alkoholkonsum, ein eisglatter Untergrund und eine Sträflingskugel am Bein bilden eine fatale Liaison, und es gibt sicherlich charmantere Auftritte, als mit einem Gips ins Standesamt gehumpelt zu kommen. Also wrang ich den mageren Rest an Konzentrationsfähigkeit aus meinem Hirn und klebte mit den Augen auf dem Pflaster, bis ich die andere Seite der Fahrbahn erreicht hatte. Da war es wieder, diesmal eindeutig: das Aufglimmen einer Zigarette. Noch ein paar Schritte, und eine Silhouette zeichnete sich ab. Mittlerweile sah ich nicht mehr auf den Boden, sondern hatte die Gestalt, die bei klirrender Kälte unbeweglich in unserem Hauseingang stand, fest im Blick. Natürlich: es konnte ein Penner sein. Oder ein anderer Nachtschwärmer, der sich vor dem Zu-Bett-Gehen noch eine letzte Kippe gönnte. Doch in mir wuchs die Gewissheit, dass dieser Mann nicht zufällig dastand, sondern auf mich gewartet hatte. Stundenlang. Bei Eiseskälte. Im Schneegestöber. Mit hochgeschlagenem Kragen, bis zur Nase gewickeltem Schal und tief ins Gesicht
gezogenem Hut. Als ich die
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