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Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit

Titel: Dark Bd. 1 - Prinz der Dunkelheit
Autoren: Mark Lawrence
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1
     
    Raben! Immer die Raben. Sie saßen schon auf den Giebeln der Kirche, bevor aus den Verwundeten Tote wurden. Schon bevor Rike damit fertig war, Finger von Händen zu trennen und Ringe von Fingern. Ich lehnte mich an den Galgenpfosten und nickte den Vögeln zu, die, zwölf an der Zahl, in einer schwarzen Reihe saßen und mit klugen Augen beobachteten.
    Der Dorfplatz war rot. Blut in der Gosse, Blut auf den Steinplatten, Blut im Brunnen. Die Leichen lagen, wie es sich für Leichen gehört; manche in komischer Haltung, mit verstümmelten Händen nach dem Himmel greifend, andere friedlich, um ihre Verletzungen gekrümmt. Fliegen schwirrten über die Verwundeten, als sie mit dem Tode rangen. Hierhin und dorthin wanden sie sich, manche blind, andere verschlagen, alle von ihrem summenden Gefolge verraten.
    »Wasser! Wasser!« Immer wollen die Sterbenden Wasser. Seltsam – bei mir ist es das Töten, das mich durstig macht.
    Das also war Mabberton. Zweihundert mit ihren Sensen und Äxten tot herumliegende Bauern. Wisst ihr, ich habe sie darauf hingewiesen, dass wir uns auf diese Weise den Lebensunterhalt verdienen. Ich hab’s ihrem Anführer namens Bovid Tor gesagt. Ich hab ihnen diese Chance gegeben, das mache ich immer. Aber nein. Sie wollten Blut und Gemetzel. Und sie haben beides bekommen.
    Krieg, meine Freunde, ist etwas Schönes. Jene, die etwas anderes behaupten, stehen – oder liegen – auf der Verliererseite. Wenn ich mir die Mühe gemacht hätte, zum alten Bovid hinüberzugehen, der mit seinen Eingeweiden in den Händen am Brunnen lehnte, so wäre er vermutlich anderer Ansicht gewesen. Aber seht nur, wohin es ihn gebracht hat, anderer Meinung zu sein.
    »Scheißarme Kackbauern.« Rike ließ eine Handvoll Finger auf Bovids offenen Bauch fallen. Dann kam er zu mir und zeigte mir seine magere Beute, als sei es meine Schuld. »Sieh dir das an! Ein goldener Ring. Einer! Ein ganzes Dorf und nur ein einziger verdammter Goldring. Ich würde die Mistkerle gern ins Leben zurückholen, um sie dann noch mal umzubringen. Scheißverdammte Schlammkriecher.«
    Er hätte es wirklich getan. Rike war ein echt übler Bursche, und habgierig noch dazu. Ich sah ihm in die Augen. »Beruhig dich, Bruder Rike. In Mabberton gibt es mehr als nur eine Art von Gold.«
    Ich gab ihm meinen warnenden Blick. Sein Fluchen stahl der Szene den Zauber. Außerdem musste ich streng mit ihm sein. Nach einem Kampf war Rike immer nervös und wollte mehr. Mein Blick teilte ihm mit, dass ich mehr für ihn hatte. Mehr als genug. Er brummte, ließ den blutigen Ring in einer Tasche verschwinden und schob das Messer in den Gürtel.
    Makin kam und legte uns beiden den Arm um die Schultern. Seine Panzerhandschuhe klopften auf Schulterplatten. Wenn sich Makin auf etwas gut verstand, dann darauf, Dinge zu glätten.
    »Bruder Jorg hat Recht, Kleiner Rikey. Hier gibt es jede Menge Schätze zu heben.« Er war daran gewöhnt, Rike »Kleiner Rikey« zu nennen, weil er uns alle um einen Kopf überragte und doppelt so breit war. Makin erzählte ständig Witze. Er erzählte sie auch denen, die er tötete, wenn sie ihm Zeit genug ließen. Er sah sie gern mit einem Lächeln sterben.
    »Welche Schätze?«, fragte Rike noch immer verdrießlich.
    »Wo es Bauern gibt, Kleiner Rikey … Was gibt es da wohl sonst noch?« Makin unterstrich seine Worte, indem er beide Brauen wölbte.
    Rike hob sein Visier und zeigte uns sein hässliches Gesicht. Eigentlich war es mehr brutal als hässlich. Ich glaube, die Narben verschönerten ihn. »Kühe?«
    Makin schürzte die Lippen. Ich fand seine Lippen immer abstoßend, dick und fleischig, wie sie waren, aber das sah ich ihm nach, wegen der Witze und seiner tödlichen Arbeit mit dem Streitflegel. »Von mir aus kannst du die Kühe haben, Kleiner Rikey. Was mich betrifft … Ich suche mir ein paar Bauerntöchter, bevor die anderen alle aufgebraucht haben.«
    Sie gingen, und Rike lachte sein Lachen, ein heiseres Har, har, har, als versuchte er, sich eine Gräte aus dem Hals zu husten.
    Ich beobachtete, wie sie die Tür von Bovids Bude aufbrachen, der Kirche gegenüber. Ein hübsches Haus war’s, mit hohem Dach, Schiefertafeln und einem kleinen Blumengarten. Bovids Blick folgte ihnen, aber er konnte den Kopf nicht drehen.
    Ich sah zu den Raben hoch und beobachtete dann, wie Gemt und sein schwachsinniger Bruder Maical Köpfe einsammelten, Maical mit dem Karren und Gemt mit der Axt. Ja, es war etwas Schönes. Zumindest für die Augen.
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