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Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman

Titel: Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
Autoren: Florian Tausch
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Küssen, doch die Zärtlichkeit vermischte sich mit einem hämmernden Kopfschmerz zu einer ungenießbaren Melange. Nur langsam verwob mein Hirn die Versatzstücke des gestrigen Abends zu einem lose zusammenhängenden Erinnerungsteppich. Wirklich unglaublich, was meine Freunde alles auf die Beine gestellt hatten, um die letzten Stunden meines Junggesellendaseins gebührend zu feiern. Hatte der falsche Ebi mir nicht sogar einen fetten Umschlag in die Tasche gesteckt? Ich folgte der Spur der auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke und Accessoires, klaubte die Perücke, die Hose, den Gamsbarthut und den Blinkegürtel auf, dessen Batterien mittlerweile den Geist aufgegeben hatten. Am Ende dieser Schnitzeljagd leuchteten mir unter dem Esstisch die knallbunten Farben des Mantels entgegen. Keine Ahnung, wie er dorthin gekommen war. Ich zog ihn hervor. Zitterten meine Hände vom Restalkohol? Angespannt tastete ich in die linke Tasche. Nichts. Rechts? Auch nichts. Kein Umschlag. Erst recht keine 25.000 Dollar. Zusammengeknüllt landete der Mantel auf dem Sofa. Doch bevor ich mich auf die Suche nach einer Kopfschmerztablette machen konnte, wurde ich auch schon zurückgepfiffen:

    »Häng ihn doch bitte gleich weg. Deine Familie und die Trauzeugen sind jede Minute hier.«
    Lien war in Begleitung einer betörenden Duftwolke in den Raum getreten, nur ein Handtuch verhüllte ihren zierlichen Körper. Schon griff sie nach dem Mantel und ging hinüber zum Kleiderschrank.
    »Das ist aber auch ein hässliches Teil! Und den hattest du gestern an?«
    Bügel. Mantel drauf.
    »Was ist das denn?«
    Ich fuhr mit dem Kopf herum, sah, wie Lien in die Innentasche des Kleidungsstücks griff. Dort hatte ich nicht nachgeschaut. Sie zog etwas Weißes hervor und nestelte neugierig daran herum.
    Drei große Schritte, und ich stand neben meiner Zukünftigen, riss ihr das Corpus Delicti aus den Händen und stürmte mit einem »Das soll eine Überraschung für dich werden« ins Nebenzimmer.
    Tatsächlich, meine Finger berührten ein prall gefülltes Kuvert. Ich wog es abschätzend in der Hand. Kein Name, nichts war darauf geschrieben. War es wirklich nur ein Scherz meiner Freunde? Sicher hatte ich gleich einen Stapel Monopoly-Geld in den Händen. Vorsichtig löste ich den Klebestreifen des Kuverts, holte kurz Luft und lugte hinein.
    Als Erstes sah ich nichts als weißes Papier, auf dem einige Worte geschrieben waren. Für einen Moment durchflutete die Erleichterung meinen Körper, mich nicht wirklich einer Versuchung stellen zu müssen. Doch dann kam unter meinen zittrigen Fingern das grünliche Gesicht von Benjamin Franklin zum Vorschein, der mich mit rügenden Augen und verkniffenem Mund von einer 100-Dollar-Note aus ansah.
Ausgerechnet Franklin, mein alter Freund. Der Verleger und Naturphilosoph, der Freimaurer und Staatsmann, der Präsident der Gesellschaft gegen Sklaverei, der Erfinder des Blitzableiters und der Bifokalbrille (erstaunlich, welches Wissen man durch ein Referat während eines Schüleraustauschs in die USA anhäufen kann). Nun war er hier. Direkt vor mir. Ein Franklin? Zig Franklins! Hunderte Franklins! Genauer: 250 Franklins hielt ich umklammert - in Summe 25.000 Dollar. Und weitere 2.250 Franklins warteten sehnsüchtig auf mich. Noch waren sie in Ebis Bank eingesperrt, doch ich musste nur die Hochzeit abblasen, um sie zu befreien.
    War es das vielleicht doch wert?
    Ich schämte mich selber für meine Gedanken, noch während sie mir durch den Kopf jagten. Aber dennoch: Wer hätte nicht zumindest in den abgelegeneren Teilen seiner Seele in Erwägung gezogen, lieber in den warmen Dollarregen zu treten als vor den Standesbeamten?
    Es klopfte. Lien blickte durch den Türspalt.
    »Was machst du denn da noch? Beeil dich, die anderen kommen gleich!«
    Unbemerkt ließ ich den Umschlag in den Taschen meines Bademantels verschwinden und ging in die Küche, um endlich eine Aspirin zu nehmen. Dann ab in die Dusche. Eine gefühlte Ewigkeit ließ ich heißes Wasser auf meinen Schädel rieseln. Die Kopfschmerzen vergingen, doch meine Gedanken wusch das Nass nicht weg. Was sollte ich tun? Ich liebte Lien, aber war es nicht besser, mit einer monetären Grundausstattung durchs Leben zu gehen als mit einer Frau an meiner Seite? Irgendwann würde schon eine Neue kommen - wäre dann nicht alles viel leichter?
    Durch das Rauschen des Wassers hörte ich die Türklingel
summen. Kurz darauf Stimmengewirr. Eltern, Verwandte, Trauzeugen. Einer aufgedrehter
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