Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Rosehill 01 - Die Tochter des Lords

Titel: Rosehill 01 - Die Tochter des Lords
Autoren: Julie Garwood
Vom Netzwerk:
Prolog
New York City, 1860
    Sie fanden das Kind auf einem Abfallhaufen, und die Ratten hatten es glücklicherweise noch nicht erreicht. Zwei Biester waren bereits auf den Deckel des Korbs gekrochen und nagten am Geflecht, drei andere zerrten mit ihren scharfen Zähnen an den Seitenwänden, und alle gebärdeten sich wie verrückt.
    Denn sie rochen Milch und zartes Fleisch.
    In dieser Hintergasse war die Bande zu Hause. Drei der vier Jungen schliefen in Holzkisten, mit altem Stroh ausgekleidet. Eine ganze Nacht lang hatten sie gestohlen und gekämpft, und vor lauter Erschöpfung hörten sie das Geschrei des Babys nicht.
    Das Kind wurde von Douglas gerettet, dem vierten Banditen, der gerade an der Straßenecke Wache hielt. Zuvor hatte er eine Frau im dunklen Mantel beobachtet, die mit dem Korb in die Gasse gelaufen war, und leise gepfiffen, um die anderen zu warnen. Sie blieb kurz stehen, warf über die Schulter einen verstohlenen Blick zur Straße zurück, dann eilte sie in die Mitte der Gasse und warf den Korb auf den Abfallberg, der sich an einer Mauer türmte. Dabei murmelte sie unentwegt vor sich hin. Die Worte verstand Douglas nicht, denn sie wurden von seltsamen Lauten übertönt, die aus dem Korb drangen und wie Katzengemaunze klangen.
    Offensichtlich fürchtete sich die Frau. Ihre Hand zitterte, als sie die Kapuze ihres Umhangs tiefer in die Stirn zog. Vielleicht fühlte sie sich schuldig, weil sie ein altes, krankes Haustier aussetzte, das niemand mehr haben wollte. So schnell die Beine sie trugen, rannte sie zur Straße, und Douglas pfiff wieder, diesmal lauter. Sofort sprang das älteste Bandenmitglied auf, ein entlaufener Sklave namens Adam. Douglas zeigte auf den Korb, dann folgte er der Frau. Aus der Tasche ihres Umhangs hatte er ein dickes Kuvert ragen sehen und beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen. Möglicherweise konnte er ein kleines Geschäft machen, denn immerhin war er der beste elfjährige Taschendieb in der Market Street.
    Adam schaute ihm nach, dann versuchte er den Korb zu ergreifen. Doch die Ratten ließen sich ihre Beute nicht so leicht entreißen. Mit einem scharfkantigen Stein schlug er einem Tier auf den Kopf, worauf es laut quietschte und floh. Dann zündete er eine Fackel an und schwenkte sie vor dem restlichen ekligen Viehzeug. Sobald es verscheucht war, trug er den Korb zu den Kisten, wo seine Gefährten schliefen, und ließ ihn beinahe fallen, als er ein Wimmern hörte. »Travis, Cole, wacht auf! Douglas hat was gefunden.«
    Ein paar Schritte entfernt setzte er sich auf den Boden, an eine Ziegelwand gelehnt, stellte den Korb, aus dem es winselte, ab und wartete, bis die beiden Jungen zu ihm kamen. Cole ließ sich zu seiner Rechten nieder, Travis an der anderen Seite.
    »Was ist los, Boss?«, fragte Travis und gähnte. Vor einem Monat hatten die drei Banditen den entlaufenen Sklaven zu ihrem Anführer ernannt und bei dieser Entscheidung sowohl ihrem Verstand als auch ihren Gefühlen gehorcht. Mit seinen fast vierzehn Jahren war er der älteste und intelligenteste von ihnen. Außerdem hatte er sie alle vor dem sicheren Tod gerettet. In den Hintergassen von New York City, wo nur die Stärksten überlebten, spielten Vorurteile gegen Schwarze keine Rolle. Hunger und Gewalt beherrschten die Nacht, und beide waren farbenblind.
    »Ich weiß nicht, was das ist …«, begann Adam.
    »Ein Korb, das sieht man doch«, wurde er von Cole unterbrochen. »Vielleicht ist die Schließe am Deckel aus echtem Gold.«
    Adam zuckte die Achseln, und Travis, der Jüngste, ahmte die Geste nach. Dann nahm er die Fackel entgegen, die der Boss ihm reichte, und hielt sie hoch, damit alle den Korb inspizieren konnten. »Sollen wir auf Douglas warten, bevor wir das Ding aufmachen? Wohin ist er denn gegangen?«
    »Sicher kommt er gleich zurück.« Adam berührte die Schließe.
    »Moment mal, Boss!«, warnte Cole. »Da drin bewegt sich was – und es wimmert.« Er zog sein Messer. »Hörst du’s auch, Travis?«
    »Ja. Wenn das eine Schlange ist, die uns beißt …«
    »Unsinn!«, erwiderte Cole ärgerlich. »Hast du nur Stroh im Hirn? Schlangen wimmern nicht. Wahrscheinlich ist’s ein Kätzchen.«
    Beleidigt senkte Travis den Kopf. »Wenn wir den Korb nicht aufmachen, finden wir’s nie raus.«
    Adam nickte zustimmend, öffnete die Schließe und hob den Deckel ein wenig hoch. Nichts sprang ihm entgegen, und er seufzte erleichtert. Dann nahm er den Deckel ab. Alle drei Jungen spähten in den Korb, schnappten nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher