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Code Delta

Code Delta

Titel: Code Delta
Autoren: Jeremy Robinson
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CODE DELTA
    PROLOG
    Vergangenheit
    Gnadenlos und unerbittlich beherrschte er die Welt durch Furcht – heraufbeschworen mittels eines Völkermords in grauer Vorzeit. Er hatte die Erde gesäubert und nur eine einzige Blutlinie am Leben gelassen. Damit sie nie vergaß. Fürchtete.
    Doch Nimrod durchschaute diese Angst, die den Verstand der Menschen trübte wie aufgewühlter Schlamm den Euphrat. Wenn der Regen kam und die Donner hallten, krümmten sie sich und wandten sich hilfesuchend an den geheimnisvollen Begründer. Wenn die Nahrung knapp wurde, zerrissen sie ihre Kleider und bettelten um Gnade.
    Nichts weniger erwartete der Begründer, ungeachtet seines Versprechens.
    Nimrod glaubte nicht, dass es dieses Versprechen je gegeben hatte. Genauso zweifelte er an der Legende vom Massenmord. Die hatte gewiss sein Urgroßvater in die Welt gesetzt, um die Menschen seinem Willen zu unterwerfen. Und Nimrod hatte keine Angst vor Dingen, die nicht real waren. Er ließ sich nicht kontrollieren.
    Im Gegenteil verstand er sich selbst sehr gut darauf, mittels Furcht andere zu unterjochen. Mit Peitsche, Knüppel und Speer hatte er den Menschen mehr Angst eingejagt, als es der Begründer mit dem Märchen von einer Sintflut vermocht hatte, an die sich kaum noch jemand erinnerte. So war Nimrod an die Macht gelangt und hatte sein Königreich begründet. Die Städte Uruk, Akkad und Kalne blühten unter seiner Herrschaft auf und fanden Nahrung und Wasser in Hülle und Fülle an den Ufern der zwei mächtigen Ströme. Seine größte Errungenschaft, eingebettet zwischen Tigris und Euphrat, war Babylon.
    Doch selbst diese glorreiche Stadt sollte bald übertroffen sein. Dann würde die störende Stimme des Begründers zu einem kraftlosen Flüstern verstummen und gemeinsam mit dem Zeitalter der abergläubischen Angst verschwinden. Als direkter Nachkomme des Gründervaters seines Volkes war Nimrod eingeweiht in die Geheimnisse jener Sprache, die angeblich der Begründer selbst die Menschheit gelehrt hatte. Ihre Worte konnten Herz und Hirn der Menschen mit Furcht erfüllen, aber auch Berge versetzen. Und genau das geschah im Augenblick. Denn mit Hilfe der alten Worte hatte er einen Turm errichtet, größer als alles, was die Menschheit je gesehen hatte, einen Turm, der sich höher zum Himmel erhob, als man es je für möglich gehalten hätte. Seine unheimliche Präsenz schüchterte jeden ein, der seiner ansichtig wurde.
    Nimrod strich sich über den langen, drahtigen Kinnbart, der noch schwarz war, lediglich von einer dünnen grauen Strähne durchsetzt. Sein Gesicht, gefurcht und ledrig von langen Tagen in der Sonne, verriet allmählich sein Alter. Ungeachtet dessen fühlte sich Nimrod kraftvoll und vital. Mit seiner eindrucksvollen Gestalt und der Baritonstimme fiel es ihm leicht, den Menschen seinen Willen aufzuzwingen. Doch selbst auf Furcht war nicht immer Verlass. Denn am Vorabend der Vollendung seines größten Triumphs hatten ihn beunruhigende Nachrichten erreicht.
    Verrat.
    Wie es schien, war er nicht als einziges Mitglied der Familie resistent gegen die allgegenwärtige Furcht. Doch statt sie zu seinem Vorteil zu nutzen, hatte sein Großonkel Sem sich gegen ihn verschworen. Gegen ihn .
    Hier, allein in der zentralen Kammer seiner neuerrichteten Zikkurat, sann er über die beste Lösung nach. Mit seinem Onkel zu verhandeln kam nicht in Frage. Milde verriet Schwäche, und Schwäche stärkte den Gegner. Doch er kannte die wahre Stärke und Anzahl seiner Feinde nicht und musste seine Strategie mit unbekannten Größen entwickeln. Ein gefährliches Unterfangen. Etwas Fundamentales musste geschehen. Etwas, das noch viele spätere Generationen in Furcht versetzen würde.
    Nimrods Blick fiel auf die Hände der Statuen. Stark und unnachgiebig. Unempfindlich gegen Schwert und Speer, ihm treu ergeben – dem Schöpfer der Götter. Kreisförmig umgaben ihn die Standbilder in der großen zentralen Kammer, viereinhalb Meter groß, mit den Köpfen von wilden Tieren auf den Körpern von Menschen – Darstellungen alter Kulturheroen. Berühmte Männer, Götter, denen seine Hand Form verliehen und sein Wort Leben eingehaucht hatte.
    Als wäre ein Stein aus einem Damm gebrochen, wurden seine Gedanken von Ehrgeiz überflutet und füllten sich mit Bildern einer großartigen Zukunft. Die wahren Möglichkeiten der in der Sprache verborgenen Macht reichten viel weiter, als er es sich je erträumt hatte.
    Der Begründer, ob real oder nicht, hatte sie verlassen.
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