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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
Autoren: Matthias P. Gibert
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Haare in seiner Hand. Dann sah er sich vorsichtig um, doch erstens war er einer von nur drei Gästen, und zweitens interessierte sich niemand für ihn und seine Probleme. Verschämt stand er auf und schlenderte Richtung Toilette. Dort trat er an den Spiegel, schob im diffusen Licht der einzelnen Energiesparlampe die Schultern nach vorn und starrte auf das Loch in seinem Haarschopf, das er sich selbst ein paar Sekunden zuvor beigebracht hatte. Mit großen Augen und noch größerer Verwunderung stellte er fest, dass auf seinem Kopf schon mehrere kahle Stellen zu sehen waren, von denen er bis zu diesem Augenblick jedoch nichts bemerkt hatte. Hideo Asami schluckte, schluckte erneut, fing an zu würgen und musste sich nur Sekundenbruchteile später übergeben.
    Verdammt , dachte er. Verdammt, was ist nur los mit mir?
    Am nächsten Morgen fühlte Asami sich so schwach, dass er es kaum vom Bett bis zu dem kleinen Waschbecken schaffte, an dem er seine Körperpflege vornehmen musste. Nachdem er sich schließlich mühsam das Gesicht abgewaschen hatte, torkelte er zurück zum Bett und ließ sich fallen.
    Ich muss Herrn Kanaya anrufen und ihm berichten, wie es mir geht , dachte er, bevor sein Körper wieder von einem Krampf geschüttelt wurde und er sich erneut übergeben musste. Zum wievielten Mal es an diesem Morgen war, hatte er dabei längst vergessen.

3
     
    »Bartholdy hat schon zweimal angerufen«, erklärte Oberkommissar Thilo Hain seinem Boss, nachdem der den Kopf durch die Tür seines Büros gesteckt hatte. Lenz warf eine Bäckereitüte auf den Tisch, streifte sich die Daunenjacke von den Schultern und sah seinen Kollegen müde an.
    »Hat er gesagt, was er will?«
    »Nö. Aber was soll er an einem traurigen Tag wie diesem schon von dir wollen?«
    »Vielleicht schlägt er mir die Frühpensionierung vor, was meinst du?«, gab der Hauptkommissar zurück, während er sich einen Stuhl herbeizog, sich hineinfallen ließ und ein Croissant aus der mitgebrachten Tüte zog.
    »Auch eins?«
    Hain nickte erfreut.
    »Ich hab schon befürchtet, dass du geizig werden würdest.«
    Der junge Polizist zögerte einen Moment. »Jetzt, wo deine besten Tage definitiv vorbei sind.«
    Lenz biss herzhaft in sein Gebäckstück und grinste seinen Mitarbeiter dabei an.
    »Du kannst mich mit dieser Scheiße nicht treffen, Thilo. Weil ich nur vorgehe auf dem Weg, den du, wenn es normal läuft, irgendwann auch mal gehen wirst.«
    »Darüber hab ich mit Carla letzte Woche mal ziemlich ausführlich gesprochen, als es darum ging, was wir dir schenken sollen. Und sie hat komischerweise fast genau das gesagt, was du gerade abgesondert hast. Dass sich nämlich jeder, der diesen Geburtstag feiern darf, auch darüber freuen sollte. Weil es da draußen nämlich jede Menge Menschen gäbe, denen das schon gar nicht mehr vergönnt war. So oder so ähnlich hat sie sich ausgedrückt.«
    »Gar nicht so doof, die Gute«, sinnierte Lenz erfreut und biss erneut in sein Croissant. »Und um das Thema abzuschließen«, fuhr er kauend fort, »gestehe ich dir freimütig ein, dass ich in den letzten Wochen schon manchmal schlecht geschlafen habe bei dem Gedanken an den heutigen Tag, aber das ist vorbei. Seit heute Morgen weiß ich nämlich, dass ich der glücklichste 50-Jährige auf der Welt bin. Und damit soll es von mir aus gut sein.«
    »Aber manchmal tun dir die Knochen schon mehr weh als früher, oder?«, frotzelte Hain.
    Lenz nickte zustimmend.
    »Das will ich absolut nicht bestreiten. Aber wenn du 50 bist und dir gar nichts weh tut, bist du tot.«
    Er grinste seinen Kollegen und Freund feist an.
    »Und jetzt will ich meine Glückwünsche und mein Geschenk, aber pronto.«
    In diesem Augenblick flog die Tür in seinem Rücken auf, und eine Horde Kollegen drängte sich, angeführt von Uwe Wagner, dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums Kassel, in den viel zu kleinen Raum.
    Das, was die Beamten in den folgenden Minuten veranstalteten, als Musik oder im Extremfall sogar als Gesang zu bezeichnen, wäre selbst dem größten Optimisten schwergefallen, doch Lenz war von der Aufführung überaus gerührt. Auch die Textsicherheit seiner Kollegen konnte man keinesfalls als überragend bezeichnen.
    Happy Birthday to you
    Marmelade im Schuh
    Aprikose in der Hose
    Happy Birthday to you
    So oder so ähnlich reihte sich eine Strophe an die andere, bis schließlich Wagner nach einer sehr kurzen Ansprache seinen Freund in den Arm nahm und ihm herzlich gratulierte.
    »Mensch, Uwe,
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