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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
Autoren: Matthias P. Gibert
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gewesen. Während eines knapp fünf Jahre andauernden Jobs in einem American Diner in Downtown New York jedoch hatte er die Vorzüge eines großen, medium gebratenen Stückes Rindfleisch zu schätzen gelernt. Seitdem stand Fisch in seinen diversen Erscheinungsformen nicht mehr sehr weit oben auf seiner persönlichen Genussliste. Sicher, ein gut gebratenes, frisches Thunfischsteak war nicht zu verachten, aber er hatte einfach schon zu viele davon gegessen.
    Nach seinem Engagement in Amerika war er für ein knappes Jahr zurück nach Japan gegangen, um seinen krebskranken Vater zu pflegen, weil außer dem Sohn niemand aus der Familie in der Nähe wohnte, und ein Heim konnte sich der Witwer und ehemalige Fischer nicht leisten. Es hatte Hideo Asami eine Menge Kraft und den größten Teil seiner Ersparnisse gekostet, bis er den alten, ausgemergelten Mann, der sich so unendlich gegen das Sterben wehrte, beerdigen konnte.
    Dann Deutschland. Zuerst in einem Restaurant in Leipzig, wo er nach einem handfesten Streit mit dem Inhaber Hals über Kopf das Weite suchte. Am nächsten Tag kam über einen Bekannten die Offerte aus Kassel.
    Viel Arbeit, wenig Geld und miese Bedingungen , also wie immer und überall für eine Küchenhilfe. Er nahm den Job trotzdem an. Herr Kanaya, der Restaurantbesitzer und damit sein neuer Chef, empfing ihn für japanische Verhältnisse nahezu überschwänglich, sogar vom Bahnhof hatte er ihn abgeholt und anschließend in einer großen Limousine zu seinem neuem Arbeitsplatz gefahren. Diese Zuneigung hielt jedoch leider nicht einmal 24 Stunden, dann war Asami wieder auf der Ebene angekommen, die ihm zustand. Zwischen Küche und Toiletten.
    Mit kurzen, trippelnden Schritten betrat er den Gästebereich, den er nur vor und nach den Öffnungszeiten zu sehen bekam, und ging devot auf seinen Boss zu.
    »Herr Kanaya«, begann er leise in seiner Muttersprache, »die Arbeiten in der Küche sind beendet. Alles ist erledigt, wie Sie es gewünscht haben.«
    »Gut. Du hast auch an die Mülleimer gedacht? Morgen kommt die Müllabfuhr.«
    »Natürlich, Herr Kanaya.«
    Der Restaurantbesitzer, der mit den drei Köchen und vier Bediensteten aus dem Service sein Abendessen einnahm, sah ihn streng an.
    »Dann geh jetzt. Und denk dran, dass wir morgen Abend die große Reservierung haben. Sei also mehr als pünktlich!«
    »Ja, Herr Kanaya.«
    Damit nickte die Küchenhilfe in die Runde, drehte sich um und wollte sich entfernen, blieb jedoch nach dem ersten Meter stehen, knickte in der Hüfte zusammen und japste nach Luft.
    »Was ist schon wieder los mit dir?«, wollte Restaurantbesitzer Kanaya mit der für ihn typischen Fistelstimme wissen. »Wenn du dich um deine Arbeit drücken willst, brauchst du von mir aus gar nicht mehr wiederzukommen, du fauler Hund.«
    Hideo Asami richtete sich auf und sah seinen Chef mit freundlichem Gesicht an.
    »Nein, es ist nichts, Herr Kanaya. Mir geht es nur seit ein paar Tagen nicht so gut; meistens nach dem Essen.«
    »Dann solltest du nicht so viele von meinen guten Sachen in dich hineinfressen«, pöbelte Kanaya ihn an, »was deinem dicken Bauch auch nicht schaden würde.«
    Die Runde fing laut an zu lachen.
    »Ja, ich werde daran denken«, gab die Küchenhilfe leise zurück, drehte sich wieder um und verließ nun endgültig das Restaurant.
    Eine halbe Stunde später saß Asami in einer nahegelegenen Kneipe vor einem großen Bier und starrte auf den Fernseher über seinem Kopf. Obwohl er den Kommentator nur bruchstückhaft verstehen konnte, war er fasziniert von dem American-Footballspiel, das er zu sehen bekam. American Football, das war seine große Leidenschaft seit den Tagen in New York. Er hatte es sich damals nur zweimal leisten können, ein Spiel der Giants live zu erleben, doch die Erinnerung daran hielt bis heute an. Leider hatten diese dummen Deutschen so gar nichts für die professionelle Variante dieses wunderbaren Sports übrig, und das, was sie jenseits dessen darunter verstanden und spielten, langweilte ihn abgrundtief. Nein, echtes American Football war etwas ganz Einmaliges, Besonderes.
    Gerade warf der Quarterback einen schönen Pass, doch der Wide Receiver ließ den Ball bei der Annahme fallen. Dummkopf, dachte der Japaner und fuhr sich dabei durch die Haare. Als er wieder nach seinem Bier greifen wollte, stellte er erschreckt fest, dass ein ganzes Büschel der dunklen Mähne an seinen feuchten Fingern klebte. Erschreckt zuckte er zusammen und betrachtete eingehend die
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