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Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer

Titel: Menschenopfer - Gibert, M: Menschenopfer
Autoren: Matthias P. Gibert
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1
     
    Lenz starrte in die Dunkelheit des Schlafzimmers. Rechts neben sich konnte er das ruhige und rhythmische Atmen von Maria hören. Vorsichtig schob er die Decke weg, erhob sich aus dem Bett und verließ so leise wie möglich den Raum. In der Küche angekommen, holte er eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, schenkte sich ein Glas bis zum Rand voll ein und nahm einen tiefen Schluck. Als die Tür des Samsung in seinem Rücken zugefallen war, war er für ein paar Augenblicke von völliger Schwärze umgeben, weil sich seine Augen erst wieder an die Dunkelheit gewöhnen mussten. Mit dem Fuß zog der Polizist sich einen der Stühle heran und ließ sich darauf nieder.
    Scheiße , dachte er. So schlimm hätte ich es mir nun wirklich nicht vorgestellt .
    Seine Gedanken wurden von einem Geräusch abgelenkt, das aus dem Schlafzimmer kam. Er hörte, wie Maria leise die Tür öffnete und ein paar Sekunden später in der Küche stand.
    »Kannst du wieder nicht schlafen, Paul?«, wollte sie besorgt wissen.
    »Nein«, erwiderte er müde. »Es ist genau wie in den letzten Nächten auch. Leider.«
    Sie trat neben ihn, streichelte sanft über sein Haar und setzte sich auf seine Oberschenkel. Dann fuhr ihre Hand über seine Wange.
    »Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte ich glatt annehmen, dass du Schiss kriegst.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Das ist Quatsch, Maria. Ich freue mich darauf, dich zu heiraten, und das weißt du auch. Warum sollte ich, nachdem ich so viele Jahre darauf warten musste, plötzlich Muffe davor kriegen, dein Mann zu werden?«
    Maria zog ihre Hand zurück und legte beide Arme um seinen Hals.
    »Das weiß ich nicht, ich bin schließlich keine Psychologin. Aber es ist schon auffällig, dass diese Schlaflosigkeit ein paar Wochen nach meiner Scheidung einsetzt, nämlich genau dann, wenn wir uns entschließen zu heiraten.«
    Lenz schluckte.
    »Vielleicht gibt es ja eine ganz andere, viel einfachere Erklärung«, gab er leise zu bedenken.
    »Und wie sollte die nach deiner Meinung aussehen?«
    Wieder bewegte sich sein Adamsapfel auf und ab.
    »Weiß nicht. Ist ja auch nur so eine Idee.«
    »So? Was für eine Idee meinst du denn?«
    »Ich …«, begann er, um im gleichen Moment wieder abzubrechen.
    Maria atmete tief ein, fuhr mit der Hand unter sein Shirt und begann, seinen Rücken zu streicheln. Gleichzeitig kamen ihre Lippen seinem rechten Ohr ganz nah.
    »Wenn du es nicht auf der Stelle rauslässt, beiße ich dir dein Ohrläppchen ab. Danach das andere und als Nächstes die Nase. Was dann kommt, brauche ich dir wahrscheinlich nicht explizit zu erklären. Also, was ist los mit dir?«
    Lenz verlagerte ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, wischte sich kurz über die Nase und holte Luft.
    »Obwohl«, fuhr sie dazwischen, bevor er auch nur den ersten Ton auf ihre Frage erwidern konnte, »es ist eigentlich gar nicht mehr nötig, dass du irgendwas zu deinen Schlafstörungen sagst. Gerade eben ist mir nämlich schlagartig klar geworden, warum das so ist.«
    Er sah sie erstaunt an.
    »So, so. Dann lass mal hören.«
    »Es geht gar nicht um unsere Heirat, Paul. Es geht vielmehr um den Termin, der davor ansteht, deinen ganz persönlichen Termin in der nächsten Woche. Du schläfst so schlecht oder besser gesagt, gar nicht, weil dein Geburtstag vor der Tür steht. Dieser ominöse, komische, bedrückende, alt machende runde Geburtstag. Dieser überaus nervige zwischen dem 49. und dem 51. …«
    »Warum sprichst du die Zahl nicht aus?«
    »Ich will nicht, dass die Depression, in die du offensichtlich im Begriff bist abzugleiten, sich noch verstärkt. Also umschreibe ich das böse Objekt lieber.«
    Wieder musste Lenz schlucken.
    »Es fällt mir nicht leicht, es zuzugeben, Maria, aber ich vermute, dass du mal wieder recht hast.«
    »Vermutest du es oder weißt du es?«
    »Ich …, ich …«, druckste er herum.
    »Paul!«
    »Ich weiß es«, schob er schnell nach. »Und ich weiß es schon länger.«
    »Dass es für dich nicht leicht ist oder wird, diesen Geburtstag zu feiern?«
    Er nickte.
    »Da bin ich jetzt aber mal richtig gespannt auf die zugehörige Erklärung, mein Lieber.«
    Er sah sie verkniffen an.
    »Na ja. Es ist immerhin so was wie eine Zäsur, Maria. Fünfzig ! Das klingt doch irgendwie, als ob das Leben danach komplett vorbei sei.«
    »So hab ich das noch nie bedacht«, feixte sie gähnend. »Aber klar. Wo du recht hast, hast du recht.«
    Der Polizist versuchte unsicher, im matten grünen Schein der
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