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Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme
Autoren: Linda Fairstein
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    Nachdem der hartnäckige Anrufer das Telefon viermal hatte klingeln lassen, schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Während mein Kopf dröhnte und hämmerte, verkündete meine Stimme vom Band, dass ich im Augenblick nicht zu sprechen sei. Der letzte Drink war wohl einer zu viel gewesen …
    Ich warf einen Blick auf die Leuchtanzeige meines Weckers, die den noch dunklen Raum in grünliches Licht tauchte. 5 Uhr 38.
    »Wenn du mich hörst, Coop, dann nimm ab. Los, mach schon.«
    Ich hatte an diesem Morgen keine Bereitschaft.
    »Es ist verdammt früh und verdammt k alt. Lass mich bitte nicht länger als notwendig in der einzigen funktionierenden Telefonzelle von ganz Manhattan zappeln. Ich will dir doch nur ‘nen Gefallen tun. Komm, nimm schon ab, Blondie. Ich hasse den blöden Spruch vom Band.«
    »Morgen, Detective Chapman. Danke für den Anruf«, murmelte ich in die Muschel, während ich meinen Arm wieder unter die Decke zog, um nicht zu frieren, während ich Mike zuhörte. Zu dumm, dass ich das Fenster gekippt hatte, bevor ich zu Bett gegangen war. Jetzt war es eiskalt im Zimmer.
    »Ich hab’ was für dich, ‘ne ganz große Sache. Vorausgesetzt, du willst wieder durchstarten.«
    Musste mich Chapman unbedingt daran erinnern, dass ich seit fast fünf Monaten keinen ernsthaften Fall mehr übernommen hatte? Ich hatte im letzten Herbst im Mord an der Schauspielerin Isabelle Lascar, meiner Freundin, ermittelt, und das hatte mich beruflich etwas aus der Bahn geworfen. Der Bezirksstaatsanwalt hatte die meisten meiner übrigen Fälle auf die Kollegen verteilt, und nachdem der Mörder gefasst war, hatte ich mir erst einmal eine Weile freigenommen.
    Von Mike hatte ich mir den Vorwurf gefallen lassen müssen, ich hätte mich den ganzen Winter über um die schwierigen Fälle gedrückt, bei denen wir früher so oft zusammengearbeitet hatten.
    »Worum geht’s denn?« wollte ich wissen.
    »Oh nein, Miss Cooper, das ist keiner von den ›Mal sehen, und wenn er scharf genug ist, behalt ich ihn‹-Fällen. Entweder du vertraust mir und übernimmst ihn, oder ich gehe den offiziellen Weg und rufe deinen verpennten Kollegen an, der gerade zufällig Bereitschaft hat. Ich wette, der würde sich diesen Fall verdammt gern unter den Nagel reißen. Mir soll’s egal sein, wenn der nicht mal den Unterschied zwischen DNS und NBC kennt …«
    » Schon gut, schon gut.« Chapman hatte das Zauberwort gesagt, und ich saß jetzt aufrecht im Bett. Ich wusste nicht so genau, ob ich am ganzen Körper zitterte, weil durch den Fensterspalt eiskalte Luft ins Zimmer drang, oder ob es die Angst vor der Rückkehr zur Brutalität, zu den Mördern und Vergewaltigern war, die fast zehn Jahre lang meinen Berufsalltag bestimmt hatten.
    »Heißt das ja, Blondie? Bist du dabei?«
    »Ich verspreche, dass ich nach einem ordentlichen Kaffee begeisterter klinge, Mike. Ja, ich mach’ mit.« Sein Freudengeheul war wohl für niemanden nachvollziehbar, der weder der Polizei noch der Staatsanwaltschaft angehörte, denn schließlich war der Anlass für seinen Freundenausbruch der gewaltsame Tod eines Menschen. Das einzig Tröstliche an der Sache war, dass das Mordopfer in diesem Fall in den »Genuss« des besten Cops weit und breit kam: Mike Chapman.
    »Prima. Jetzt stehst du auf, ziehst dich an, wirfst ein paar Alka Seltzer gegen den Kater ein …«
    » Ist das nur ein Verdacht, Dr. Holmes, oder beobachten Sie mich?«
    »Mercer hat mir erzählt, dass er gestern in deinem Büro war. Hat wohl irgendwie deine Feierabendpläne mitbekommen – zuerst das Knicks-Spiel mit deinen Uni-Freundinnen und danach eine Verabredung zum Essen im Restaurant. Das Einzige, was er nicht wusste, war, ob ich mit einem Anruf um diese Uhrzeit rein zufällig in eine spannende Bettszene platzen würde. Ich hab’ ihm versprochen, dass er’s als Erster erfahren würde, wenn du deine Enthaltsamkeit aufgibst.«
    Ich ignorierte die Bemerkung und freute mich stattdessen, dass Mercer Wallace auch mit von der Partie sein würde. Der einstige Polizist der Mordkommission war mein fähigster Mitarbeiter im Special Victim Squad – er ermittelte bei allen Aufsehen erregenden Serienvergewaltigungen und Serienmorden.
    »Bevor die Münze durchfällt, verrat mir bitte noch, wie ich das meinem Boss verkaufen soll.«
    Paul Battaglia hasste es, wenn die Detectives bei komplizierten Fällen ihre bevorzugten Staatsanwälte ins Boot zogen. In den zwanzig Jahren, in denen er nun als Bezirksstaatsanwalt von New
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