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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß
Autoren: Othmar Franz Lang
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sein.
    »He du«, sagte er in seiner gütigsten Stimme, mit einer Stimme, wie er als junger Mann mit Mädchen gesprochen hatte, »komm doch mal her! Wir beide, du und ich, wir sind doch Menschen. Wir beide führen keinen Krieg. Sieh, ich hab’ dich hierher gebracht, weil du draußen vor die Hunde gegangen wärst. Das mußt du doch einsehen. Ja? Zugegeben, ich war mal anders. Aber wenn man älter wird, wird man weise. Ich hab’ solche Burschen gehabt, Mexikaner, die waren auch so hochmütig wie du. Denen hab’ ich den Hochmut aber ausgetrieben. Wenn einer meinen Schlüsselbund zwischen die Rippen bekommt, vergißt er so etwas wie Hochmut. Laß mich doch endlich mal was mit Güte erreichen.«
    Webber brach unvermittelt ab. Er hatte innerlich mit sich eine Wette abgeschlossen. Wenn der Indianer auf ihn reagierte, hatte er gewettet, dann war er vielleicht doch ein richtiger Mensch. Mit Seele. Aber der Rote hatte die Augen geschlossen und die Hände übereinandergelegt. Er saß da wie tot.
    »Na, dann nicht«, sagte Webber, rüttelte sicherheitshalber nochmal am Gitter, drehte das Licht aus und ging zu seiner Frau hinauf.

    Völlig zerschlagen öffnete Sheriff Webber am nächsten Morgen sein Office. In ausgetretenen Hausschuhen war er heruntergekommen, hatte die Eingangstür aufgesperrt und die Läden von den Fenstern genommen.
    Der Indianer kauerte wieder in seiner Ecke. Aber Webber hatte gemerkt, daß er von der Pritsche aufgesprungen war. Er hatte diese Nacht also auf der Pritsche geschlafen und sich mit der Decke zugedeckt, die noch unordentlich dalag. Verdammt, die Rothaut hatte sicher besser geschlafen als er.
    Dafür mußte ihm aber der Magen knurren, und das ganz ordentlich. Die zwei Tage, die der Kerl unter seiner Aufsicht war, hatte er nichts gegessen. Und er mußte auch vorher schon lange nichts Vernünftiges mehr zwischen die Zähne bekommen haben.
    Alle Achtung, der Bursche hatte einen eisernen Willen. Wenn er, Webber, nur gewußt hätte, warum die Rothaut derart stur hungerte. Heute wollte er ihn weichkriegen. Er hatte zu seiner Frau gesagt, sie solle ihm das Frühstück hinunterbringen, auf seinen Schreibtisch. Rührei mit Speckwürfelchen, den Speck ordentlich angebraten, daß er duftete, und das Rührei wie immer aus drei Eiern. Dazu Tee und Butter und Konfitüre. Der Rothaut sollte das Wasser im Munde zusammenlaufen.
    Webber sog auch die Luft ein, als seine Frau mit dem Frühstückstablett den Raum betrat. Das roch wirklich verführerisch. Er machte »hm!« und »ham!«, goß sich die Tasse mit Tee voll und mampfte Brot und Ei und Speck, nachdem er sich das Rührei noch ordentlich gepfeffert hatte.
    Aber der Indianer rührte sich nicht. Er hockte unbeteiligt in seinem Winkel, die Beine angezogen, die Hände übereinandergelegt. Eine Statue aus Bronze oder Marmor hätte nicht unbeweglicher sein können.
    Kein Wunder, daß Webber da auch der Appetit verging. Widerwillig schob er mehr als die Hälfte seiner Portion von sich und trank nur die Tasse leer. Dann lief er zum Gitter und brüllte in die Zelle: »Das eine sag ich dir, Rothaut. Hör mir gut zu! Wenn heute nichts geschieht, dann... dann... dann geschieht etwas!«
    Man mußte zugeben, daß dieser Indianer sich beherrschen konnte. Keine Spur von Zusammenzucken, sondern nicht mehr zu ertragende Gleichmut. Nur als er ihm den Rest Rührei hinhielt und ihn zu sich befahl, zeigte sich in der Abwehr des Wilden auch Angst. War das die Möglichkeit? Der Kerl fürchtete sich nicht vor den Menschen. Bloß vor dem Essen, da hatte er offensichtlich Angst.
    Webber schlurfte zum Schrank, öffnete ihn, holte seine Stiefel heraus, zog sie an und knallte seine Pantoffeln auf den Platz, wo die Stiefel gestanden hatten. Dann öffnete er die Tür und blickte hinaus. Die Leute von Oroville schienen den Wilden nicht vergessen zu haben.
    Einige Mexikaner und Spanier standen da mit Kochgeschirren in der Hand und versuchten ein Lächeln.
    »He«, rief Webber, »was wollt ihr denn?«
    Einer trat vor: »Wir haben gehört, daß roter Mann nichts essen. Unsere Frauen haben zerbrochen sich den Kopf, was dem roten Mann schmecken. Hier wir ihm bringen.«
    Webber winkte zunächst ab. »Leute, er hätte das beste Irish-Stew von ganz Kalifornien haben können. Gestern abend eine wunderbare Gemüsesuppe mit Rindfleisch. Heute Rührei mit Speck, ich hab’ eigens davon gegessen, daß er sieht, daß es gut ist und daß ich ihm nichts Schlechtes gebe. Aber er sieht es nicht mal an. Ich
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