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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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Vorkaufsrecht für das Grundstück kostet 30 Euro.
    Und die Nutzung des amtlichen Lageplans kostet 200 Euro.
    Das sind knapp 12 000 Euro, mit denen ich nicht oder nicht in dieser Höhe gerechnet habe.
    Pia schon, Pia ist Sammler und hat den Überblick, ich bin Jäger und Wegwerfer und Kostengrobkalkulierer. Pia ist ein blauer Mensch, ich ein grüner. Pia will einen Garten, ich will in der Stadt wohnen. Pia will 250 Umzugskartons. Warum will sie 250 Umzugskartons? Weil sie nichts wegwerfen kann, nicht einmal den Bescheid über die Hausnummer. Ich schon. Ich bin ein fabelhafter Wegwerfer und Verdränger.
    Ich bin noch besser als Onkel Ludwig.
    Onkel Ludwig hortet auf seinem Dachboden Umzugskisten. Darauf steht ein Datum. Es ist das Datum,
an dem Ludwig die Kiste mit was auch immer zugeramscht hat. Ab und an besteigt Ludwig nun seinen Dachboden und guckt sich das Datum auf den Kisten an. Wenn er eine sieht, die vor mehr als einem Jahr gepackt, seither aber nicht mehr geöffnet wurde, wandert sie sofort auf den Müll. Er wirft die Kiste weg wie ein angeschimmeltes Marmeladenglas jenseits des Verfallsdatums. Ludwig schaut nicht mal mehr zur Kontrolle hinein. Ludwig ist toll.
    Als ich jung war, hatte ich einen Fiat Panda mit rollbarem Stoffdach. Ich war immer der Meinung, dass alles Wichtige dorthinein passen muss. Als ich für ein paar Monate nach Hamburg gezogen bin: Umzug mit dem Fiat Panda in einer Fuhre. Von dort nach Berlin? Panda. Eine Fuhre. So macht man das.
    »Pia, als ich nach Hamburg gezogen bin …« Pia, die gerade Küchenutensilien verstaut, wobei sie liebevoll ein altes Senfglas in altes Zeitungspapier wickelt, macht die Tür zu. Meine Diogenes-im-Panda-Theorie ist ihr wohl nicht neu. Hinter der Tür ruft sie noch: »Panda. Hamburg. Ich weiß. Eine Fuhre. Ich weiß. Diogenes. Toll.«
    Dann kommt sie wieder raus, aber lediglich, um mir zu sagen, dass Robert De Niro nur im Film ein Gangster ist. »Bevor du mir jetzt wieder deine Lieblingsszene aus dem Film ›Heat‹ vorspielst: Das ist nur ein Film, begreif das doch. Niemand lebt so. Niemand.« Pia geht wieder, und ich rufe ihr nach, warum ich es so toll finde, dass der Obergangster Robert De Niro in einer
riesigen Villa am Meer lebt: »Weil es in dieser Villa nämlich nur ein Sofa und eine Kaffeemaschine gibt!«
    »Wie großartig«, schnaubt Pia. »Die große Leere. Und wozu nur?«
    »Weil«, verteidige ich De Niro, indem ich ihn zitiere, »weil man immer in der Lage sein sollte, in dreißig Sekunden packen und verschwinden zu können.«
    »Aber De Niro ist ein Gangster. Du nicht. Du bist nur ein Mann, der gerne ins Kino geht, um sich Filme anzusehen, die er dann zu seiner Lebensphilosophie macht. Und auch deshalb willst du nicht nach Obermenzing. Weil dann das nächste Kino nicht mehr ums Eck ist und Vororte im Kino sowieso nur als Tatorte abscheulicher Verbrechen eine Rolle spielen.«
    »Stimmt genau, Pia, dort sind nur der nächste Discounter, der nächste Baumarkt, der nächste Psychopath und die nächste Apotheke ums Eck. Und mein Haus wird ein Haus sein, das mir zum Packen und Verschwinden drei Jahre statt dreißig Sekunden abnötigt. Weil du es wieder vollramschen wirst. Du Messie.«
    »Ich ein Messie? Du weißt ja nicht, was du redest, du Kinogeher. Und das ist auch kein Ramsch. Das sind alles Dinge, die wir brauchen, weil wir drei Kinder haben, schon vergessen? Wir sind eben eine Familie. Und De Niro ist ein Schauspieler. Und du lebst nicht am Strand in einer leeren Villa, sondern an der Ismaninger Straße in einer familienfeindlichen Wohnung. Weißt du was: Wenn du unbedingt in dreißig Sekunden packen und verschwinden willst, dann tue es sofort!«

    Pia ist jetzt blass und still. Ich habe einen roten Kopf und bin auch still. Nicht mal Julia lässt sich blicken.
    Ich frage mich, ob ich jetzt verschwinden soll. Aber wer sich die Frage stellt, ist schon zu spät dran. Wer fragt, bleibt. Ich bleibe. Wütend. Worauf bin ich wütend? Auf Obermenzing und Pias Kartons. Auch wenn ich zugeben muss, dass mir ein Sofa und eine Kaffeemaschine, die unsere 250 Kisten auf eine reduziert hätten, kaum ausreichen zum Leben. Pia hat Recht, das Leben ist kein Film. Aber das macht mich nur noch übellauniger.

    Pia sammelt Dinge, weil sie Dinge liebt. Ich liebe auch Dinge, aber ich muss sie nicht um mich haben. Zum Beispiel mache ich nie Fotos, weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, mir Dinge anzuschauen. Dinge, die schön sind, wie zum Beispiel der Urlaubsstrand.
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