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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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Pia dagegen kann nicht gucken, weil sie durch den Sucher sehen muss, um zu sehen, ob das Bild auch schön scharf wird. Pia fotografiert, ich gucke. Deshalb gibt es schon ein Dutzend Fotoalben in bunten Einbänden, die Julia, Anton, Max und mich am schönen Urlaubsstrand zeigen. Pia scheint nie dabei zu sein, weil sie immer hinter der Kamera steht, während der Rest der Familie genervt an der Kamera vorbei in die Ferne blickt. Pia sammelt Erinnerungen, Dinge, Sachen, Gegenstände, Bilder, Bücher, Postkarten und alte Rechnungen. Deshalb will Pia ein Haus und einen Garten: Das ist der Plan hinter dem Plan. Sie braucht einfach mehr Stauraum
und eine offene Ausstellungsfläche für ihre gigantische Dingwelt, die sich ausdehnt wie das Universum. Alte rostige Türschlösser aus der Toskana, eine kaputte Keksdose aus ihrer Heimat, ein Gürtel vom Verehrer aus Paris: Ihr Leben ist voller Geheimnisse. Meines passt in einen Fiat Panda.
    Man soll sich nicht, denke ich trotzig, beschweren im Leben, und zwar im Wortsinn, man soll Mieter sein und leichtfüßig und besitzlos leben wie ein Indianer oder wie Ghandi. Man soll keine Dinge haben, die 250 Umzugskartons füllen. »Es gibt Menschen, deren Hab und Gut passt in eine Tüte«, sage ich zu Pia. Pia antwortet nicht. »Die Dinosaurier sind ausgestorben, weil sie so schwer und so immobil waren«, sage ich. Pia antwortet nicht. »Ein Kilogramm Nutzlast, das zum Mond befördert wird, kostet 200 000 Dollar«, sage ich. Pia sagt: »Mond, Blödsinn, Obermenzing liegt zehn Kilometer von der Stadtmitte entfernt.«
    »Ja«, sage ich, »aber trotzdem hinterm Mond.« Pia schweigt. Sie arbeitet an einer Kiste mit der Aufschrift »Kabelverlängerungen, Keller«.
    Umzugszeit, das sind Chaostage. Pia managt alles, die Kinder spielen mit den Umzugskisten, und ich murre vor mich hin. Dann helfe ich und fange irgendwo in der Kammer an. Was man alles findet. Allein diese unglaubliche Sammlung von Kleiderbügeln. Etwa die dünnen aus Blech von der Reinigung. Einige von Ikea. Weg. Meine blaue Mülltüte füllt sich rasch. Pia hat gar keine Mülltüte. Bei ihr ist alles wertvolles Umzugsgut
und wird verstaut. »Weg damit«, brumme ich. Pia kommt dazu. »Spinnst du, die können wir noch gut gebrauchen.« Pia kann immer alles gut gebrauchen. Dann ein Bügel aus Kunstleder mit Messingnieten, schwer wie ein Fernseher. Der kann nur von Pias Seite kommen. »Weg«, sage ich. »Bleibt«, sagt Pia.
    »Und was ist das?«, will Pia wissen, die die Bügel zusammenräumt und die aussortierten wieder einsortiert. Sie zieht ein baumelndes Elend aus lindgrünem Plastik mit greller Aufschrift und stilisiertem Hirschgeweih hervor. Laut liest Pia vor. »Hotel-Pension Ortenruh???« So wie sie das ausspricht, hat die Frage drei Fragezeichen, mindestens. »Mit wem oder was und vor allem wann warst du in der Pension Ortenruh?«
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Ich kenne Ortenruh nicht. Nie gehört. Was soll das sein?«
    Julia, mit dem Ehescheidungsmöglichkeitsradar einer sehr gut ausgerüsteten Sondereinheit der CIA-Abhörspezialisten gesegnet, kommt dazu und will wissen, ob wir streiten.
    »Überhaupt nicht«, flötet Pia, »ich will nur wissen, mit welcher Schlampe sich dein Vater in Ortenruh rumtreibt.«
    »Was ist eine Schlampe?«, fragt Julia.
    »Das erkläre ich dir später«, erkläre ich jetzt, um später nichts erklären zu müssen, weil »später« erfahrungsgemäß nie eintritt in der Pädagogik.
    »Am schlimmsten aber finde ich Hotel-Pension.« Pia ist jetzt in voller Fahrt. »Das Ritz? Bitte, einverstanden.
Hätte Stil. Zur Not irgendein Marriott, okay. Aber Hotel-Pension: Das ist entweder supervertraulich, also ernst, oder billig, also schäbig. Wofür entscheidest du dich? Ich gebe dir zwei Sekunden Zeit.«
    An dieser Stelle merke ich, dass Pia nur Spaß macht. »Das beruhigt mich«, sage ich. »Du machst nur Spaß, oder?«
    »Stimmt Liebling, aber das sollte dich nicht beruhigen, sondern beunruhigen. Wenn ich dir nicht einmal mehr eine Affäre in der Hotel-Pension Ortenruh zutraue, dann solltest du mal ein bisschen nachdenklich werden. Ich war nämlich dort. Vor deiner Zeit. Und mit wem, sage ich nicht.«
    Ich werde ein bisschen nachdenklich, dann sehr nachdenklich und dann ungenießbar, und deshalb schickt mich Pia in den Keller, weil ich ihr nur im Weg rumstehe. Sie muss noch 165 Umzugskisten mit alten Büchern, alten Lieblings-T-Shirts und mit vielen Legosteinen, mit Geschirr, kaputten
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