Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
Vom Netzwerk:
Elektrogeräten und ausgetrockneten Filzstiften vollramschen. Einmal habe ich unter Pias Sachen eine kleine Schachtel entdeckt. Darauf stand: »Garn, gebraucht«. Pia ist eine Sensation und die Ikone der Nachhaltigkeits-Bewegung gegen den Klimawandel. Ich bin der Wegwerfer, die Umweltsau.
    Die Umweltsau geht also in den Keller. Aus Bosheit räume ich als Erstes Pias Mehrschichtholzplatten dorthin, wo ich ein großes Plakat aufgehängt habe. Darauf steht: »Müll. Alles weg!« Ich habe es selbst gemalt, es
soll die Umzugsleute, hoffentlich welche mit Zähnen, am Samstag dazu motivieren, in Pias Leben mal ein bisschen Freiraum zu bringen. Mit den Mehrschichtholzplatten verhält es sich so: Als Pia noch studiert hat, hat sie sich diese Edelplatten vom Schreiner anfertigen lassen, um irgendeinen Designerstuhl nachzubauen. Wahrscheinlich für ihren damaligen Freund, den sie damit in der Hotel-Pension Ortenruh überraschen wollte. Dann kam ich in ihr Leben, und der Mehrschichtplattennachbau-Freund geriet aus ihrem Leben. Sie zog zu mir nach München. Die Mehrschichtholzplatten nahm sie mit. »Daraus baue ich dir was Schönes«, sagte sie damals.
    Aber daraus wurde nichts. Keine Zeit. Dann zogen wir in eine neue Wohnung. Die Platten, immer noch so schwer, als sollte daraus kein Designermöbel, sondern eine gepanzerte Limousine gebaut werden, zogen mit um. Inzwischen waren sie sogar noch schwerer, weil sie Wasser ziehen. Außerdem müffelten sie. Pia meinte, ein Möbel würde daraus nun leider nicht mehr werden. Die Platten verstaubten wieder im Keller. Danach zogen wir wieder um in eine größere Wohnung, wahrscheinlich wegen Anton oder Max. Die Platten landeten wieder in einem Keller, diesmal an der Ismaninger Straße.
    »Verdammtes Holz«, sage ich laut. Es ist zwar nur Holz, aber dieses Holz hat schon so manches gesehen im Münchner Untergrund. Dieses Mal will ich dafür sorgen, dass diese stinkenden Blödplatten, bestimmt
für einen Idioten mit Hang zu vertraulichen Pensionen, endlich dort landen, wo sie schon seit einem Jahrzehnt hingehören: im Schlund der Häckselmaschine.
    Ich schleife sie zum Alles-weg-Plakat, hole mir einen Splitter, fluche und stoße hinter den gammeligen Biestern auf ein kleines Köfferchen. Ich sehe es mir genauer an. Eigentlich erkenne ich es sofort: meine Schultasche, respektive der alte Schulkoffer. Denn natürlich war ich in meiner Zeit kurz vor dem Abi so originell, statt einer banalen Tasche ein vom Opa ausrangiertes Reiseköfferchen aus Lederimitat und genieteten Blechen an den Ecken zu besitzen.
    »Hallo«, sage ich, »wie kommst du denn hierher?« Dann fällt es mir wieder ein. Meine Mutter, die wie ihr Sohn eine große Wegwerferin ist, hat ihn mir vor Jahren vorbeigebracht, und er verschwand sofort im Keller. Aber warum hat sie ihn nicht weggeworfen? Ich mache ihn auf, und es haut mich fast um: alte Liebesbriefe! Ich hocke mich auf eine Kiste und beginne im schummrigen, staubigen Kellerlicht zu lesen. Es ist halb drei am Nachmittag, aber zugleich auch Geisterstunde. Die Geister der Vergangenheit sind da.
    Es gibt da ein Hörspiel, das unsere Kinder immer gern hören im Auto in Richtung Brenner. Es geht darin um einen alten Dachboden, der voller Spinnweben ist, auch voller Mäuseköttel und angefüllt mit irgendwelchen alten Piratentruhen und mit einem zerbrochenen Spiegel. Das ist das ideale Naturschutzgebiet für Gespenster. Bis der Dachboden aufgeräumt und entstaubt
wird. Die Gespenster, die vom Staub leben, sind in ihrer Existenz bedroht. An dieser Stelle, denke ich immer, sollte der Bund Naturschutz eingreifen, und das Entstauben von Dachböden sollte als Umweltfrevel gebrandmarkt werden. Es geht aber dann doch nur um einen kleinen Jungen, der die Gespenster mit Spinngewebe füttert.
    Jedenfalls habe ich das bisher für Quatsch, also für ein Kinderhörspiel gehalten, das für die Fahrt von München bis zum Gardasee so unentbehrlich erscheint wie Benzin, Lenkrad und vier Reifen. Doch nun im Staubkeller sehe ich das anders, in einem Keller, in dem sich ein alter Tennisschläger, ein Gummibootkarton und Julias Schaukelpferd zu einer fragilen Skulptur verbündet haben. Schon möglich, denke ich, dass meine Existenz ebenso zerbrechlich ist, schon möglich, dass sie nur vom Staub untergegangener Schülerlieben zusammengehalten wird. Mir ist, während ich dies überlege, als ob mir ein paar Gespenster zustimmend zunickten.
    Als ob sie sagen wollten: »Genau, wo wärst du, wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher