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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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wollen, wo genau wir in Obermenzing wohnen, weil niemand so viel Zeit, Abenteuerlust und Benzin hat, um dorthin aufzubrechen. Wahrscheinlich gibt es auch keine richtigen Karten, sondern nur vage Reiseberichte und Legenden und …«
    Pia sagt streng: »Sei doch mal still. Ich bin auch nervös wegen des Umzugs. Aber jetzt stell dich verdammt nochmal nicht so an. Das Haus ist gerade noch fertig geworden. Sogar die Küche passt. Ein Glück. Das Gras ist schon ein bisschen gewachsen. Alles wird gut. Aber bitte hilf jetzt endlich, die Umzugskartons zu packen. Am Samstag kommt die Spedition. Du freust dich doch sonst immer so aufs Umziehen. Ist doch ein alter Indianerbrauch oder so.«
    Darauf gehe ich gar nicht erst ein. Pia entstaubt munter meine Bücher und packt. Überall stehen schon halb befüllte Kartons herum. Anton und Julia bauen sie mit Begeisterung zusammen. Der Hool zerlegt sie wieder. Ich schaue dem Treiben missmutig zu. »Wie viele Umzugskartons hast du bestellt«, will ich wissen.
    »150.«
    »150! Das ist nicht dein Ernst. Was soll da denn rein? Hier siedelt doch nicht die Regierung von Bonn nach Berlin um.«
    »150 für hier und dreißig für den Keller.«

    »Also 180?«
    »Plus zwanzig für die große und zehn Kisten für die kleine Kammer.«
    »Wir haben 210 Umzugskisten? Bist du wahnsinnig geworden? Was soll da rein kommen? So viel besitzen nicht mal zehn Familien zusammen.«
    »Plus die vierzig Ersatzkartons.«
    250 Umzugskisten! Ich fasse es nicht. Pia sagt nur: »Schau dich mal um.« Dann packt sie einfach weiter. Ich schaue mich um und staune: Mein Leben ist in den letzten Jahren offenbar zu dem geworden, was Läden, die »Entrümpelungen aller Art« als Schild über dem Eingang hängen haben, in ihren hintersten Hinterhöfen feilbieten. Mein Leben besteht aus unvollständigen Memoryspielen, kaputten Federballschlägern und einem zu engen Skistiefel, der eigentlich schon vor Jahren Müll war - und jetzt auf einmal zum Umzugsgut avanciert. Ich fahre Pia an: »Das ist ja schrecklich. Du hast aus mir einen Messie gemacht. Es gibt Leute, die werden nach Jahrzehnten von der Polizei aus ihren zugerümpelten Wohnungen mit der Spreizschere befreit. Zehn Jahre Ehe mit dir, und ich bin reif für die Spreizschere. Warum soll denn nur der verdammte Skistiefel mit umziehen? Ich fahre schon lange nicht mehr Ski, er ist zu eng, und außerdem kann Plastik nicht ewig altern. Wirf ihn weg. Weg damit!«
    »Eines Tages«, sagt Pia mit ruhiger Stimme, »wird er Max oder Anton passen.«
    Mir ist es ein Rätsel, wie Leute, die aus vermögenden
Familien kommen, einen kaputten Skistiefel aufheben können, um damit in zehn oder zwanzig Jahren einen Jugendlichen zu quälen und sich das Geld für angemessene Skistiefel zu sparen. Vielleicht ist es aber auch das Geheimnis von Wohlstand, dass er auf der Nicht-ausgeben-Seite statt auf der Etwas-einnehmen-Seite angehäuft wird. Die Milliardäre dieser Welt haben wahrscheinlich ganze Regalmeter voller alter Skistiefel in ihren atombombensicheren Kellern.
    »Was du treibst«, sage ich zu meiner Frau, »ist Flucht in den Realbesitz. Genau das soll man nicht tun jetzt, mitten in der Krise.«
    »Blödsinn.« Pias »Blödsinn« ist weniger souverän und tiefgründig als Maxens »Weil«. Aber es funktioniert. Ich schweige. Pia legt nach: »Realbesitz ist jedenfalls nicht dein Problem.« Das sitzt. Pias Anteil an dem Haus wird ja zum größten Teil aus ihrem Erbe bestritten, meiner kommt von der Bank. Ich wusste immer, dass ich es mir nicht leisten kann, ein Haus zu bauen, aber jetzt habe ich es schriftlich. Mal abgesehen von den Kosten für Grund und Haus: Allein die städtischen Gebühren sind schon ein Skandal.
    Der Skandal befindet sich gut verpackt in Karton Nummer 58, der die Aufschrift »Rechnungen Blumenauer Weg, Stadt München« trägt. Hier ein Auszug:
    Das Hausnummernschild, »gefertigt nach Münchner Hausnummernschildverordnung«, kostet 80 Euro.
    Der Hausanschluss, Gas Strom und Wasser, kostet 9500 Euro.

    Die »Amtshandlung« zur Klärung, ob im Garten ein Gartenhaus stehen kann, kostet 120 Euro.
    Der Hausnummer-Bescheid kostet 90 Euro.
    Der »Anstich an den öffentlichen Kanal« kostet 320 Euro.
    Der Genehmigungsbescheid zur Grundstücksentwässerung kostet 250 Euro.
    Die Erlaubnis, »das Niederschlagswasser von den Dachflächen in den Untergrund einzuleiten«, kostet 320 Euro.
    Die Baugenehmigung kostet 820 Euro.
    Der erklärte Verzicht der Stadt München auf das übliche
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