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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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Höchstlautstärke gedreht, weil an diesem Abend die Tram unter unserem Fenster auch in Höchstform ist. Es ist eine Sendung über Baumängel. Zu sehen sind weinende Menschen, kaputt und ruiniert, geschieden und todkrank. Die leben in Löchern, die giftig und einsturzgefährdet sind, sie hausen in Höhlen, die kalt und nass sind. » Das sind Baumängel.« Pia sagt das ganz trocken. Ich sage nichts. Stimmt. Wir haben Schwein. Und Wumme natürlich auch.
    Trotzdem schafft es der Mann, der den Gartenweg anlegt (im Lageplan sieht er so gerade wie ein Lineal aus), zwei Kurven in den Weg einzubauen. Sogar Wumme gibt zu, dass das so nicht in Ordnung ist. Obwohl er Kurven hübsch findet. Pia sagt: »Hätten wir ein Schlumpfhaus im Asterix-Dorf, dann wäre ein schnuckliger Kurvenweg gerade recht. Haben wir aber nicht. Der Weg muss gerade sein.« Pia schaut den Gartenbauer streng an. Er seufzt. Beim zweiten Mal baut
er Buckel in den Weg ein. Pia stöhnt. Wumme macht »hmm«, was bei ihm so etwas wie einen Tobsuchtsanfall darstellt. Der Wegebauer baut den Weg ein drittes Mal. Jetzt ist er perfekt. Pia sagt »sehr gut«, Wumme sagt »gut«, der Wegebauer sagt »langweilig« und bietet uns Gartenlaternen und Rosenrankgerüste zum Ausgleich an. Während ich noch überlege, was ich dazu sagen soll, erhasche ich einen Pia-Blick und schweige lieber. Ich werde keinen Barockgarten bekommen, vermute ich.

    Obwohl ich keine echten Baumängel zu beklagen habe, entsetzt mich das Bauhandwerk. Wie kann sich eine Zivilisation entwickeln, wie kann Hightech entstehen, wie kann man zum Mond fliegen, wenn das Bauhandwerk aus einer Vielzahl von Leuten wie unserem Wegebauer besteht? Es ist mir ein Rätsel. Und dann ist das Haus fast fertig, einfach so. Unglaublich. Das kleine Schwarze kommt mir vor wie meine eigene Reise zum Mond.
    Diese Reise ist mir so fremd wie zuvor die Fahrt zum Gartencenter, wo ich aber schon bald ein gern gesehener Kunde bin. Während die Baugut GmbH das Haus endlich vollendet, bestellen wir den Garten. In vier Wochen wollen wir kein kleines zweites Woodstock erleben, also auf ein Matschfeld ziehen, sondern auf grünem Rasen endlich das Wunder eines Gartens genießen. Das ist wieder so ein Moment der Vorblende.
    Ich lerne Gartenbindegarn, Rasenkantenstecher,
Pflanzhacke, Blumenzwiebelpflanzer, Regentonne, Baumsäge und andere denkwürdige Dinge kennen. Pia kauft ein wie im Delirium. Sie ist kein Shoppingtyp, aber das Gartencenter liebt sie. Es kommt ihr vor wie die Eintrittskarte in den Garten Eden. Ich lasse mich anstecken. Täglich kümmern wir uns um unseren Matsch, der einmal ein Paradies sein soll.
    Leider grünt nichts. »Rollrasen«, rät Mike, der Nachbar, »wie im Stadion.« Ich halte das für eine gute Idee, Pia aber will kein Instantgras. Sie will eigenes, selbst gesätes Gras. Sie will einen englischen Rasen.
    In einem Asterix-Heft sagt ein Brite, der in einem wundervoll gepflegten Garten steht und sich mit einer kleinen goldenen Sichel Halm für Halm vornimmt, ungefähr dies: »Nun, nach zweihundertjähriger Pflege dürfte mein Rasen recht annehmbar sein, wie ich denke.« Und dann, herrlich, macht es »Galoppelgaloppelgaloppel«, und römische Besatzer zu Pferd und Streitwagen zerpflügen in Sekunden das perfekte Grün. Ich weiß, dass meine Kinder das Zeug dazu haben, das römische Imperium auch in dieser Hinsicht in den Schatten zu stellen. Ich kann das Galoppelgaloppel schon hören. Trotzdem helfe ich Pia nach Kräften. Sie soll ihren englischen Rasen, der schon in wenigen Wochen ein Obermenzinger Bolzplatz sein wird, ruhig ansäen. Und merkwürdigerweise macht mir das auch noch Spaß. Dabei sind Pia und ich zu diesem Zeitpunkt am Ende unserer Kräfte.
    Vom Garten aus kriegen wir mit, dass der Maler
das Werk des Fliesenlegers ruiniert, weil er den Boden nicht abdeckt. Dann kommt allerdings nochmal der Installateur, der die Dusche in Ordnung bringen muss: Er ruiniert das Werk des Malers. Zu schweigen vom Trockenbauer, der nochmal kommt, um die Schienen für die Gardinen anzupassen: Er ruiniert ebenfalls das Werk des Malers, unterstützt vom Schreiner, der die Treppe einbaut und auch hilft, das Werk des Malers zu ruinieren. Am Ende aber kommt der Maler wieder, bessert sein Werk aus und zerstört einiges von dem, was sein Werk zerstört hat. Bis der Elektriker kommt, nach dem wieder der Maler kommen muss. Das Bauen ist ein nicht endenwollender Krieg der Gewerke. Dass man dabei unverletzt bleibt, ist ein
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