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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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und soeben von einem Torpedo gerammt wurde.
    Erst brüllt der Kapitän: »Schadensmeldung! Ich brauche einen vollständigen Schadensbericht!« Dann brüllt der Erste Offizier: »Maschinenausfall. Wassereinbruch achtern. Wir schalten um auf Notstrom. Schlagseite. Vierzehn Grad. Wir sinken.« Dann wieder der Kapitän: »Okay Leute, raus, alle raus hier.« Und mitten im Getümmel höre ich Anton heulen. Er heult, weil ihm sein Bruder eine wichtige Indiana-Jones-Figur aus dem Lego-Sortiment entwendet hat. Dann brüllt Max, weil Anton ihn dafür geschubst hat. Dann brüllt Julia, weil sie als Älteste findet, dass sich ihre jüngeren Brüder nicht so aufführen sollen. Sie spielt gerne die Ersatzmama und entwickelt wegen ihrer Brüder frühe Merkmale eines spätsozialistischen Blockwarts. Dann brüllt Pia. Sie findet, dass sich ihre Tochter nicht als Ersatzmama und schon gar nicht wie ein Ersatzblockwart aufführen soll.
    Dann brülle ich. Weil ich finde, dass sich meine Familie nicht so aufführen soll. Und dann auch einfach
so. Einfach, weil ich nicht weiß, ob ich ein Haus bauen soll. Und weil ich müde bin.
    Schlaf wäre gut. Und dazu eine dicke Decke, die man über alles wie Pulverschnee breiten könnte: über die Gedanken zu Immobilienkrediten, über Baukostensteigerungsnachrichten und Gartencenterprospekte, über neue Schulen für die Kinder und über eine Zukunft im Vorort. Und dann schlafen, einfach nur schlafen. Nur dass ich nicht schlafen kann.
    Generell bin ich kein Frühaufstehertyp. Keiner, der sich die Manschetten zupft und dabei in der Lage ist, nach interessanten Insidergeschäften auszusehen. Ich bin Zehenwackler.
    Einfach der Typ, dem eine Frau, wenn er zermalmt aus dem demütigenden Fitness-Training kommt, nicht ohne weiteres sagen darf, dass sie so ein ganz kleines Bäuchlein extrem süß findet. Ich weiß, was von solchen Sätzen zu halten ist. Frauen, die sich als Bäuchleinliebhaberinnen outen, sind die Allerersten, wenn irgendwo 25-Jährige Sixpack-Tennistrottel günstig im Angebot sind.
    Wahrscheinlich denke ich einfach nur zu viel über Könnte, Wäre, Hätte, Würde & Sollte nach. Das sind meine neuen Freunde, morgens ab drei Uhr.
    Die Zehen wackeln wieder ein bisschen. Pia findet, dass ich zu viel ins Kino gehe. Ich würde dann immer Kinoszenen nachspielen und das Ergebnis mit dem richtigen Leben verwechseln. Ich überlege, ob mir eine berühmte Zehenwacklerszene einfällt. Nein, keine einzige.
Eastwood, denke ich, würde nie mit den Zehen wackeln.
    Ich könnte noch schlafen, aber ich kann nicht. Ich könnte aufstehen, aber ich kann nicht. Ist das nicht dumm? Dumm wie: Lehman-Papiere von der KfW-Bank zu kaufen. Unklug wie: Chefverkäufer für Monstertrucks werden zu wollen. Zukunftsfähig wie das Amt des CDU-Vorsitzenden in Berlin.
    Was kann schon aus einem Morgen werden, der damit beginnt, dass man aufstehen soll? Das ist ein grundsätzliches Problem. Ein Morgen aber, der damit beginnt, dass man nicht schlafen kann bis zu dem Zeitpunkt, da man aufstehen muss, hat noch einen Tick weniger Potenzial.
    Folglich probiere ich es mit einem Wiedereinschlafsatz, den ich vor mich hin murmle, leise, ganz leise: »Ich will einen Garten.« Dann schneller: »Ich will einen Garten, einen Garten, einen Garten, Garten, Garten, Garten, Ga, Ga…«
    In »Manche mögen’s heiß« gibt es eine Szene im Zug. Joe und Jerry, zwei heruntergekommene Jazz-Musiker, dargestellt von Tony Curtis und Jack Lemmon, sind auf der Flucht aus Chicago und vor Gamaschen-Colombo. Sie flüchten sich, verkleidet als Josephine und Daphne, in den abfahrenden Zug einer Damenkapelle. Nun wird es Nacht, und Jerry-Daphne kann nicht schlafen in einem ganzen Abteil voller Mädchen, die zum Beispiel Sugar heißen und die Instinkte eines Mannes wachhalten. Er sagt sich deshalb zum Rhythmus
der Eisenbahnräder: »Ich bin ein Mädchen, ein Mädchen, ein Mädchen, ein Mädchen …«
    Laut unterbreche ich meine Garten-Einschlaf-Formel und sage: »Lüge. Ich bin kein Mädchen, und ich will keinen Garten. Ein Garten ist was für Mädchen. Ich bin Joe, nicht Daphne.«

    Pia grummelt wieder, wacht aber zum Glück nicht auf. Sie kann es nicht leiden, wenn ich Kino-Zitate auf mein Leben anwende. Nur dann, wenn sie ausgesprochen gute Laune hat, lässt sie sich auf mein Lieblingsspiel ein: Zitate erkennen. Ich sage dann zu ihr beispielsweise: »Da bin ich am wenigsten verletzlich.« Und sie muss »Casablanca« sagen. Dann sagt sie: »Großartig, was sagst
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