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Titel: Sonderauftrag
Autoren: G. Heidenreich; T. Trczinka
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1
    Langsam quälte sich der Lastkraftwagen durch die Straßen von Stralsund. Vorbei an Ruinen und Häusern, aus denen kein Lichtschein drang. Verdunkelung war das Gebot der Stunde. Unbeeindruckt davon flogen jeden Tag und jede Nacht alliierte Bomber und warfen zielsicher ihre tödliche Fracht über dem Reichsgebiet ab.
    Der Gefreite am Lenkrad konnte vor Müdigkeit kaum noch die Augen offen halten. Die Wirkung des Pervitins ließ nach. Das Klingeln der Feuerwehrglocken ließ ihn an die Seite fahren. Er blickte zu seinem Beifahrer und bemerkte: »Herr Obersturmbannführer? Wenn Sie noch ’ne Hermann-Göring-Pille für mich hätten? Mir fallen gleich die Augen zu!« Er sprach den breiten ostpreußischen Dialekt seiner Vorfahren, ganz anders als der Offizier neben ihm.
    Der Angesprochene schaute kurz zu ihm und meinte dann: »Wir sind bald da, Radzuweit! Da brauchen Sie keine Pille mehr. Spätestens in einer Stunde werden Sie schlafen wie Gott in Frankreich. Mensch, Sie sind doch jung, da stecken Sie die fehlenden Stunden einfach weg oder schlafen nachher ein bisschen schneller!« Er lachte meckernd, bemerkte dann aber die aschgraue Gesichtsfarbe seines Fahrers. »Hier, nehmen Sie mal einen Schluck aus der Pulle. Bester französischer Kognak! Der wird Ihnen guttun.«
    Er hielt dem Gefreiten die Feldflasche hin und nickte ihm aufmunternd zu. Dieser griff zu und nahm einen kräftigen Zug. Die Wärme des Kognaks rann durch seine Kehle und verbreitete sich wohltuend im ganzen Körper. Er atmete tief aus und gab das Getränk zurück.
    »Danke!«
    Der Offizier verschloss das Gefäß und nickte nur kurz. »Na los, die restlichen Kilometer schaffen wir auch noch. Sieg Heil und fette Beute!« Die letzten Worte wurden übertönt von der Feuerwehr, die an ihnen vorbeirumpelte. Irgendwo in der Stadt brannte es wieder.
    Radzuweit fuhr erneut an. Der Kognak mobilisierte die letzten Reserven in dem jungen Körper. Der Offizier hatte es sich wieder bequem gemacht, so gut es ging. Vorsichtig schaute er auf den kleinen Vorrat von Pervitin-Tabletten. Das fehlte ihm noch, dachte er, die wenigen mit seinem Fahrer zu teilen. Er würde sie noch dringend benötigen und weitere waren nicht mehr zu bekommen.
    Als Hermann-Göring-Pille, Panzerschokolade oder Stuka-Pille war dieses Medikament in den ersten Kriegsjahren bei der kämpfenden Truppe beliebt gewesen. Es vertrieb Müdigkeit, man hatte plötzlich Selbstvertrauen und ein Gefühl der Stärke. Wen interessierte es, dass es süchtig machte und zu Psychosen führte? Niemanden! Da die häufige Einnahme von Pervitin zur Gewöhnung und zum Wirkungsverlust führte, war es in den letzten Jahren lediglich auf Rezept zu bekommen. Der Offizier hatte es nur im äußersten Notfall genommen, und bald würde wieder so ein Notfall sein, er konnte es förmlich fühlen.
    Der Fahrer wischte sich den Schweiß von der Stirn. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er nach draußen, wo die schmalen Schlitze der Scheinwerfer es kaum schafften, das Dunkel ein wenig zu erhellen.
    Plötzlich war das schwache Auf und Nieder eines roten Taschenlampenlichtes zu sehen. Der Fahrer trat auf die Bremse. Kreischend hielt der Laster. Ein Kontrollposten war quer über die Straße aufgebaut worden. Jedes Fahrzeug, das die Stadt verlassen oder in sie hinein wollte, wurde kontrolliert.
    Ein Posten trat an die Beifahrertür und verlangte die Papiere. Der Offizier griff in seine Kartentasche und reichte durch das geöffnete Fenster das Gewünschte hinaus. Die Taschenlampe wurde aufgeblendet, grelles Licht fiel auf die Papiere und danach auf das Gesicht des Obersturmbannführers. Geblendet drehte dieser den Kopf weg und knurrte den Posten an: »Sind Sie noch bei Trost? Leuchten Sie mit Ihrer Funzel sonst wen an, aber nicht mich.«
    Die Stimme des Offiziers klang schneidend und befehlsgewohnt, doch der Posten schaute gelangweilt und müde in das Gesicht des Mannes. Hier hatte er das Sagen.
    »Aussteigen! Ladungskontrolle!« Er winkte nur kurz mit der MP. »Und das Ganze zack, zack!«
    »Sehen Sie zu, dass Sie den Weg freigeben, oder ich lasse Sie erschießen!« Die Stimme des Offiziers war nur um eine Nuance lauter geworden, aber sie klang noch schneidender als vorher. Leise setzte er hinzu: »Schauen Sie gefälligst auf die Weisung des Reichsführers SS, Sie Trottel.«
    Der Gescholtene warf einen intensiven Blick auf die Papiere des Offiziers. Hatte er vorher nur flüchtig kontrolliert, ließen ihn die Stimme und die
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