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Wie angelt man sich einen Daemon

Titel: Wie angelt man sich einen Daemon
Autoren: Julie Kenner
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    Ich brachte meinen ersten Dämon im zarten Alter von vierzehn Jahren um die Ecke.
    Ich stach ihm mit einem Stilett durch seinen Augapfel, das einen Griff aus Elfenbein hatte und mir von meinem Ziehvater und Mentor, Padre Lorenzo Corletti, zum Geburtstag geschenkt worden war.
    Zwei Tage hatte ich damit verbracht, den Dämon zu jagen, unterwegs in den schmutzigen Gassen eines bitterarmen italienischen Dorfes. Gegessen hatte ich nichts außer einigen Resten, die ich noch in meinem Rucksack hatte. Dafür gab es einen Begleiter – einen Jungen, den ich heimlich anhimmelte und später sogar heiraten sollte. Aber in jenen Tagen verhielten sich meine Teenager-Hormone noch ganz harmlos, und ich verschwendete keinen Gedanken an Küsse oder echtes Verliebtsein. Die Dämonenjagd ist eine ernste Angelegenheit, und ich war ein ernstes Mädchen.
    Selbst jetzt, nach über zwanzig Jahren, kann ich mich noch gut an die Intensität meiner Gefühle erinnern – die Erregung der Jagd und die Erschöpfung sowie die absolute Gewissheit, etwas Wichtiges zu tun. Im Großen und Ganzen gibt es schließlich sehr wenig, was noch bedeutsamer wäre, als die Knechte der Hölle außer Gefecht zu setzen.
    Was meine Pflichten als Dämonenjägerin betraf, so bedeutete mein jugendliches Alter nur, dass ich besonders energiegeladen und geschickt war, wenn es darum ging, in einem Kampf am Leben zu bleiben. Mit vierzehn Jahren war ich körperlich in Höchstform.
    Und was meine geistige und mentale Entwicklung betraf? Nun, das stand nie zur Debatte. Ich wusste, was zu tun war, und man erwartete von mir, dass ich genau das auch tat. Mein Alter spielte dabei nicht die geringste Rolle.
    Wenn man sich meine persönliche Geschichte ansieht, könnte man eigentlich annehmen, dass es kaum jemanden geben dürfte, der so genau wie ich weiß, wie stark und widerstandsfähig vierzehnjährige Mädchen sind.
    Doch falls Sie annehmen, ich wäre in der Lage, meine eigenen Erfahrungen direkt auf meine vierzehnjährige Tochter zu beziehen, dann liegen Sie leider völlig falsch. Als es an der Zeit war, mit ihr endlich einmal offen zu sprechen, fehlten mir ganz einfach die Worte.
    Nur damit wir uns richtig verstehen: Mit offen sprechen meine ich nicht etwa ein offenes Gespräch über Sex. Das habe ich mehr oder weniger hinbekommen. Ich meine damit das Gespräch, als ich ihr unter vier Augen mein tiefstes, dunkelstes Geheimnis enthüllte.
    Mein Name ist Kate Connor, und ich arbeite als Level-Vier-Dämonenjägerin für die Forza Scura, eine supergeheime Abteilung des Vatikans, deren Aufgabe es ist, die dunklen Mächte in Schach zu halten.
    Dieser Teil der Familiengeschichte war meiner Tochter bisher vorenthalten worden, obwohl sowohl ihr Vater als auch ich auf der ganzen Erdkugel Dämonen gejagt hatten. Und zwar bis kurz vor Allies Geburt.
    Ich hatte stets vorgehabt, ihr eines Tages die Wahrheit zu sagen. Aber irgendwie war dieses »eines Tages« immer wieder hinausgeschoben worden und mehr und mehr in den Hintergrund gerückt. Allie war schließlich meine Kleine! Seit vierzehn Jahren war es nun meine Aufgabe, sie zu versorgen und sie vor allem zu beschützen.
    Ich hatte den Zeitpunkt immer gefürchtet, da ich ihre unschuldige Sicht auf die Welt mit meinen Insiderinformationen über das Böse und die Tatsache, dass es tatsächlich unter uns wandelt, für immer verändern müsste, obwohl ich natürlich wusste, dass es sich irgendwann nicht mehr vermeiden ließe. Die Dämonenjagd ist Teil ihrer Familiengeschichte. Auch wenn ich mir oft wünschte, dass dem nicht so wäre.
    Mir war also klar, dass ich eines Tages reinen Tisch machen musste. Aber dieses theoretische Wissen war etwas ganz anderes als die Tatsache, dass die Unterhaltung plötzlich wirklich nicht mehr zu vermeiden war. Nachdem Allie von einem Dämon der höheren Ordnung entführt worden war, ließ es sich nicht mehr leugnen: Ich musste endlich dieses Mutter-Tochter-Gespräch über Dämonen und ihre Machenschaften hinter mich bringen.
    Und so saßen wir auf den Stufen von San Diablos bestausgestattetem Museum. Trotz der Sonne, die auf uns herabschien, kuschelten wir uns unter einer Wolldecke aneinander, die uns von einem Sanitäter fürsorglich um die Schultern gelegt worden war.
    Wir warteten darauf, dass die Polizisten keine Fragen mehr an uns hatten und sich gemeinsam mit den Ärzten, die im Krankenwagen gekommen waren, auf dem Parkplatz versammelten. Außerdem warteten wir auf Stuart, der uns abholen wollte.
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