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Titel: Sonderauftrag
Autoren: G. Heidenreich; T. Trczinka
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Selbstsicherheit des Mannes vorsichtig werden. Plötzlich stutzte er. Er nahm Haltung an, knallte die Hacken zusammen und reichte mit einem leisen »Entschuldigung, Herr Obersturmbannführer!« die Papiere wieder in den Wagen hinein. Dann riss er den rechten Arm zum Gruß nach oben. Die zwei sichernden Posten senkten ihre MP-Läufe und gaben die Straße frei.
    Ärgerlich verstaute der Offizier die wichtigen Dokumente wieder. »Geben Sie Gas, Radzuweit! Los, los, wir haben keine Zeit zu verlieren.«
    Der Fahrer kuppelte ein und langsam gewann der Laster wieder an Fahrt. Stralsund blieb hinter ihnen zurück und mit ihm der Kontrollpunkt, von denen es so viele gab. Versprengte Wehrmachtseinheiten und Deserteure wurden durch diese Kontrollen aufgespürt und gesammelt, um das endgültige Ende des Krieges noch ein wenig hinauszuzögern.
    Sie fuhren auf Kopfsteinpflaster und kamen zügig voran. Auf einer Allee rollten sie jetzt, nur noch wenige Kilometer vom Heimatort des Offiziers entfernt. Hier kannte der Mann sich aus. »In etwa 300 Metern kommt auf der rechten Seite ein Weg, da biegen wir ein. Tanken und Ladungskontrolle!«
    »Jawoll, Herr Obersturmbannführer!«
    Der Fahrer riss sich zusammen. Gott sei Dank, nur noch wenige Meter, dann konnte er sich erst mal die Beine vertreten. Die letzten Kilometer war er nur noch wie in Trance gefahren. Diese verdammte Müdigkeit! Es war ja auch idiotisch, von Königsberg bis Thüringen und dann bis hier hoch an die vorpommersche Küste zu fahren. Von Thüringen bis zu den Amerikanern wäre es nur ein Katzensprung gewesen. Wie sicher und gemütlich hätte man dort auf das Kriegsende warten können. Aber nein! In geheimer Mission bis hierher. Immer den Russen im Nacken. Vorbei an endlosen Flüchtlingsströmen, an abgekämpften Soldaten und Offizieren, Tote und Verwundete hinter sich lassend. Das Artilleriefeuer des Russen wurde von Tag zu Tag lauter. Die Einschläge kamen immer dichter. Die Front rückte näher. Radzuweit dachte an seine Familie, die wohl auch den Hof in Ostpreußen verlassen hatte. Dort war der Russe schon und hierher würde er auch bald kommen. Es war nur noch eine Frage von Tagen.
    »Rechts rein, Mann!«
    Der Ruf schreckte ihn aus seinen Gedanken. Er bremste scharf, und mechanisch schlug er das Lenkrad ein. Gehorsam bog der Opel Blitz in den Seitenweg ein und Radzuweit hielt. Der Motor erstarb, als bräuchte auch er eine Pause. Eine ungewohnte Stille hüllte die beiden Männer ein.
    »Los, schnell!« Der Offizier trieb zur Eile. »Pennen können Sie nachher! Ich übernehme dann das Steuer!«
    Überrascht schaute Radzuweit zu seinem Vorgesetzten hinüber.
    »Nun gucken Sie nicht wie ein abgestochenes Kalb! Raus aus dem Wagen! Die frische Luft wird Ihnen guttun.« Aufmunternd nickte er dem Gefreiten zu, dann öffnete er die Beifahrertür und sprang hinaus. Tief atmete er die klare Nachtluft ein. Hier roch es nach Land und nach Frühjahr. Keine Spur von Tod und Verbranntem.
    Radzuweit hatte ebenfalls die Fahrerkabine verlassen. Er ging zum Heck des Wagens und öffnete die Klappe zur Ladefläche. Mühsam zog er mehrere Kanister herunter. Trotz der Dunkelheit fand er zielsicher den Tank, setzte den Trichter auf und begann, einen Kanister nach dem anderen einzufüllen. Die geleerten schmiss er achtlos ins Gras, denn sie hatten ihren Zweck erfüllt, und Sprit, um sie wieder vollzumachen, gab es nicht mehr.
    Der Offizier stand etwas abseits und beobachtete das Betanken mit wachsamem Blick.
    Soeben hatte der Fahrer den letzten Kanister weggeworfen und schaute nun zu ihm.
    »Ladungskontrolle!«
    Radzuweit nickte schwach. Für ein Jawoll fehlte ihm die Kraft. Er ging nach hinten, um wie befohlen nach der Ladung zu sehen. Diese Scheißkisten, dachte er noch, dann hörte er ein trockenes Knacken. Einen Laut, den er schon oft vernommen hatte, aber er hätte nie geglaubt, dass dieses Geräusch einmal für ihn bestimmt sein würde. Es war dieses Klicken, wenn eine Patrone in den Lauf geschoben wird, das ihn augenblicklich stehen bleiben ließ. Er wollte sich umdrehen. Den Schuss, der ihn in den Rücken traf, hörte er nicht mehr. Als sein Körper auf dem Boden aufschlug, war er schon tot.
    »Hab doch gesagt, ich übernehme.« Ein höhnisches Grinsen trat in das Gesicht des Offiziers. Er sicherte die Pistole und steckte sie wieder in die Tasche.
    Ungerührt trat er an die Ladefläche. Sein Blick streifte die restlichen Kanister, die darauf standen, von Reservebereifung umringt.
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