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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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Im Augenblick geht sie nur an, wenn ich gleichzeitig das Außenlicht über der Eingangstür einschalte und den Schalter gedrückt lasse, während Pia über dem Küchenblock den Mixer mit der Steckdose ganz rechts außen verbindet, den sie ebenfalls eingeschaltet und gedrückt halten muss. Unser Elektriker hat sich in die Sommerferien verabschiedet. Häuser werden nie fertig, aber im August werden sie niemals nie fertig.

    Auch deshalb duschen wir vorläufig noch in der Küche, indem wir uns dort das Wasser warm machen und gegenseitig über den Kopf tröpfeln lassen. Man träumt vom Haus, weil man auf ein perfektes Heim hofft. In Wahrheit war in der vieltausendjährigen Geschichte des Hausbauens noch nie ein Haus fertig am Tag des Einzugs. Man zieht deshalb nicht in ein Haus, sondern immer zuerst in eine Art Campingplatz mit Zimmern.
    Trotzdem: Alles wird gut, vor allem auch deshalb, weil ich heimlich die Wertstoffhöfe der Umgebung anfahre und still und leise Kisten verschwinden lasse. Pia tut so, als würde sie es nicht merken.
    Die Wertstoffhofleute sind interessant. Ihre armseligen Resopalbüros richten sie sich mit dem ein, was die Leute aus der Nachbarschaft wegwerfen. In dem Wertstoffhofbüro in unserer Nähe, in dem ich viele Tüten für Zusatzmüll zu horrenden Preisen kaufe, gibt es extrem viele Gartenzwerge und Hirschgeweihe. In der Nachbargemeinde dominieren dagegen Plastikmöbel der siebziger Jahre. Nach zwei Wochen bin ich auf allen Höfen bekannt. Pia beruhigt sich allmählich. Das kleine Schwarze in Obermenzing, das begreift sie jetzt, hat einen Preis: Wir entrümpeln unser Leben, was mich wiederum beruhigt. Die Laune bessert sich mit der Lage.
    Schließlich, als Anton dem Jungen von Mike den in unseren Garten geschossenen Ball bringen will und sich vorsichtshalber, wegen des empfindlichen Rasens, die Schuhe auszieht, lacht die ganze Nachbarschaft. Man kriegt viel mit in den Vororten. Ich kann sogar mitlachen.
»Anton«, sage ich, »das ist kein Teppich.« Pia sagt: »Aber schön grün.« Dann umarmt sie mich und flüstert mir ins Ohr: »Gut gemacht.«

    Wie sich zeigt, bin ich zum Gärtnern geboren. Ich pflanze eine Hecke, Sträucher, Gräser und Bäume. Einen Apfelbaum für Julia, einen für Anton und einen für Max, an dem Max seine Säge ausprobiert. Ich wühle mit den Händen im Mulch und in der Erde. Ich wässere den jungen Rasen wie ein Fanatiker, und die Nachbarn schauen sich beunruhigt an. Alle wollen mir ein Gerät leihen, das den Rasen automatisch mit Wasser versorgt. Das will ich nicht. Ich genieße es, Stunde um Stunde mit meinem Winzrasen und dem Gartenschlauch zuzubringen. Ich höre das Gras wachsen und bin glücklich. Unfassbar. Ich bin ein Gartenmensch. »Das Leben«, sagt ein chinesisches Sprichwort, »beginnt mit dem Tag, an dem man einen Garten anlegt.«
    Michelle Obama, die Frau des amerikanischen Präsidenten, soll auf dem Grundstück des Weißen Hauses einen Gemüsegarten angelegt haben. Wir haben das auch vor. Man muss autark sein in unsicheren Zeiten. Ich denke über einen kleinen Kartoffelacker nach.
    Im Haus brauchen unsere Kinder nur Tage, um aus Pias Designparadies ein bewohnbares Heim mit Flecken, Schlieren und Kratzern an den Wänden zu machen. Pia hat sich damit abgefunden. Das Leben, denke ich, siegt über das Design. Sehr gut, so soll es sein.
    In der Werbung gibt es den Satz, wonach irgendein
Getränk »jetzt noch trinkiger« sei. Das gefällt mir. Ich finde unser Haus irgendwie hausiger als unsere Wohnung. Es fängt an, mir zu gefallen. Es ist ein anderes Gefühl, die Tür zum Haus aufzusperren als jene zur Wohnung. Das erzähle ich Pia und hole sie raus zur Straße. Dort will ich ihr das blaue Straßennummernschild zeigen, das ich an die schwarze Holzwand geschraubt habe. Als letzte Geste des Friedens nach finsteren Kriegsjahren. Die Kinder kommen auch dazu. Max ist der letzte, er schlägt laut die Tür zu. Die Terrassentür ist, wie sich zeigt, geschlossen, und innen an der Haustür steckt der Schlüssel. Drei Stunden und zwei Männer vom Schlüsseldienst später sind wir wieder in unserem Haus. Nachts ziehe ich durch den Garten, als ritte ich mein Lehen ab. Der Stolz auf ein paar Quadratmeter Eigenes ist grenzenlos.

    Alles geht seinen Gang. Längst wissen wir, dass die Wand im Bad wieder aufgestemmt werden muss, dass sich der empfindsame Estrich dazu entschließt, ein Wellenmeer sein zu wollen, dass unsere Möbel nicht wie gedacht ins Haus passen und dass der
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