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TS 99: Exil auf Centaurus

TS 99: Exil auf Centaurus

Titel: TS 99: Exil auf Centaurus
Autoren: Algis Budrys
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Prolog – A. D. 2513
     
    Der Trauerzug bewegte sich langsam die breite, weiße Marmoresplanade am Genfer See entlang. Wireman ist tot …
    Die Stadt Genf und der See liegen inmitten eines grünen Tales umgeben von den Alpen. Das Wasser ist blau und kalt; die Berge sind grau, spitz und tragen Schneemützen, über die der Höhenwind hinwegfegt und weiße Schneefahnen hochwirbelt. Im Sommer ist der See übersät mit Booten und auf drei Seiten abgegrenzt durch die vornehmsten Erholungsorte des menschlichen Universums. Auf der vierten Seite des Sees liegt die Stadt. Sie ist die Hauptstadt des Sonnensystems.
    Da man den See nur durch Überquerung der Esplanade erreichen konnte und die Polizei das heute nicht erlaubte, standen alle Zuschauer auf der einen Seite: mit dem Rücken zur Stadt, vor sich nicht nur die Parade von Trauernden und die Militärkapellen, nicht nur die Lafette mit dem beflaggten Teak-Sarg anstelle der üblichen automatischen Kanone, sondern auch den See, die Berge und den Aprilhimmel …
    Auf Wiremans Wunsch war Genf weiß erbaut worden, aus rostfreiem Stahl, Glas und Kalkstein. Wiewohl die besten Architekten einigermaßen zu Recht den neuklassischen Stil verurteilten, so war man doch der Ansicht, daß es der einzig richtige Stil für Regierungsgebäude sei. Die grünen Hügel herunter und den See entlang erstreckten sich die niederen rechteckigen Bauten. Die meisten Leute finden die Schönheit der Stadt atemberaubend. Im Sonnensystem gibt es drei bewohnte Planeten, auf denen insgesamt etwa vier Milliarden Menschen leben. Genf ist das Symbol aller. Hoch oben auf einem Berg erhebt sich Wiremans Palast. Die Schneedrapierungen ringsum glitzern in der Sonne. Die Glaswände sind leicht gefärbt, um das grelle Licht abzuhalten; sitzt ein Mensch im großen Lederstuhl neben dem Kamin, so kann er über den Rand der Welt hinausblicken.
    Die Militärkapellen marschierten im Begräbnisschritt und spielten dabei die alten Trauerklänge. Über den Menschen und über Genf hing ein Gemurmel. Das Tal war erfüllt davon; es zitterte über das eisblaue Wasser, zog sich hin bis zu den Bergen …
    Genf ist sauber, modern und doch ein wenig von der Vergangenheit hergeleitet. Sie ist eine anmutige, glückliche Stadt. Sie hat Traditionen, die sorgfältig gepflegt werden und bis zur alten Schweizer Stadt zurückreichen, die bei der Invasion teilweise zerstört wurde. Diese alte Stadt besteht nicht mehr. Es gibt noch Leute, die sich daran erinnern, daß die Eindringlinge sie neu aufbauten, bevor sie wieder vertrieben wurden. Wie dem auch sei, Wireman hatte Genf ein zweitesmal erstehen lassen. Die alten Traditionen bildeten eine zufriedenstellende Grundlage für die neue Wirklichkeit.
    In den Regierungsgebäuden herrschte Schweigen. Das Schreibpersonal des Zivildienstes hatte sich unter die Menge draußen gemischt. Nur in einigen Büros, in privaten Büros, saßen Männer allein da.
    In einem davon war der Mann, der Wiremans Platz als Administrator des menschlichen Universums einnehmen würde. Er schaute auf die Uhr am Schreibtisch; sah, daß es bald an der Zeit war, sich zum Grabmal zu begeben, das auf einem Hügel stand, mit Ausblick über den See. Dann stand er auf. Er war jung, Mitte der Dreißig, und strahlte förmlich unfehlbare Tüchtigkeit aus. Er schien sehr von sich eingenommen zu sein, verstand es aber, dies vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Er hatte jedoch noch nicht die nötige Routine, die Maskerade beizubehalten, wenn er allein war.
    Er ging zum Fenster, öffnete es einen Spalt und schaute hinaus. In etwa zwanzig Minuten würden sie beim Grabmal sein. Wiremans politischem Erben blieben noch fünf Minuten, bevor er hinunter zu seinem Wagen gehen mußte.
    Der junge Mann blickte vom Kondukt hinauf zum glitzernden Palast und dachte:
    „Nur er hat so sein können. Ich bin ein Fachmann. Ich weiß, was ich tue, und ich weiß, wie man Leute führt. Ich bin mir meiner Verantwortung bewußt, und ich glaube, daß ich auf dem richtigen Weg bin.
    Er war Amateur. Er hat sich nie emporarbeiten müssen wie ich. Schon beim ersten politischen Aufstiegsversuch wäre er verschwunden. Verschwunden und in Vergessenheit geraten. Aber er begann an der Spitze. Er konnte einfach nicht so viel über Politik gewußt haben wie ich. Wie ich oder ein Dutzend anderer Männer in den verschiedenen Abteilungen hier. Versuchte ich jedoch, von dem Horst dort oben aus zu regieren, wäre ich ein größenwahnsinniger Tyrann. Sie würden mich zu
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