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Meine Frau will einen Garten

Meine Frau will einen Garten

Titel: Meine Frau will einen Garten
Autoren: Gerhard Matzing
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Edeltraud dich erhört hätte? Oder die T. Andrea? Wärst du dann hier?«
    Dieser Brief ist das drittbeste Fundstück im Köfferchen. Unterzeichnet mit »deine T. Andrea«. Steht das T für toll? Für Trumpenbauer Andrea oder für Tippelberger Andrea? Ich weiß es nicht. Nicht mehr. Das zweitbeste Exponat ist der Liebesbrief Nummer 1, geschrieben von einer Edeltraud, die es fertigbrachte, in meinen Namen drei Fehler einzubauen, was mich, so weit ich
mich erinnere, nicht daran hinderte, sofort in Liebe zu ihr zu entflammen. Wo mag sie sein, die rechtschreibschwache Edeltraud? Ich gerate ins Sinnieren und finde das Prachtstück der Sammlung. Eine Locke mit rotem Samtband. »Katharina«, sage ich laut.
    »So heißt sie also«, sagt Pia im gleichen Augenblick, die wissen will, warum ich Stunden über Stunden im Keller verbringe. Sie findet mich mit einem Köfferchen auf den Knien, auf das ich vor Jahrzehnten »Pink Floyd« geschrieben habe, um mich von der Deep-Purple-Fraktion in der Klasse intellektuell abzugrenzen, während ich gleichzeitig der Jethro-Tull-Bande klargemacht habe, dass ich sie für querflötende Weicheier halte. Da sitze ich also, halte eine verstaubte, modrige Blondlocke in der Hand und flüstere »Katharina«.
    »Sonst alles in Ordnung?«, will Pia wissen. Sie sagt, ich solle ihr oben in der Wohnung mit dem zerlegbaren Schrank helfen, und geht wieder die Treppe hoch. Ich höre, wie sie noch sagt: »Katharina. Soso.« Pia schaut oben in der Wohnung wirklich etwas wütend drein. Ich sage jetzt besser nichts. Julia heißt mit zweitem Namen Katharina, und ich konnte Pia nie wirklich erklären, was mir so an diesem Namen gefällt. Schweigend packen wir Kisten und zerlegen Regale. In zwei Tagen kommen die Möbelpacker. Schweigend hängen wir unseren Gedanken nach, Pia mag in Ortenruh sein, ich denke an die Locke. Die Frage, ob die Gespenster der Vergangenheit, die sich vom Staub in unseren Kellern nähren, gut oder böse sind, ist nicht zu klären.

    Samstag, sieben Uhr. Es klingelt. Max macht die Tür auf, und die Möbelpacker fluten meine Wohnung, die jetzt nicht mehr nach meiner Wohnung aussieht. Mir ist zum Heulen. Pia auch, weil sie nach der Plackerei des Hausbauens und Packens so fertig ist. Die Packer haben zum Teil Zähne, was schon mal gut ist, schaffen es aber schon mit dem ersten Möbelstück, das sie quasi durch die Tür werfen, ihren Standpunkt eindeutig werden zu lassen: Auch an Möbelstücke, finden sie, sollte man nicht sein Herz verlieren.
    Der dickste von den Packern stellt sich als »Houdini« vor. Er lacht dabei. »Sie wissen schon, der große Houdini, der Zauberer.« Er ist der Mann fürs Stapeln und Verschwindenlassen. Das macht er mit einer Akribie und Kreativität, die ihn auch für die Tokioter U-Bahn als Stapler empfehlen würden.
    Dann ist da noch ein Berliner, der sich mit dem Ausdruck »Kiek ma’« auf alles stürzt, was noch nicht verpackt ist. Er vermutet im Restmüll Dinge, die man noch verticken könnte. Pia stellt sich schützend vor den Fernseher. Der Hool wühlt in der Werkzeugkiste des Packer-Chefs herum und lässt Schraubenzieher und Steckschlüssel verschwinden. Sogar Houdini staunt. Anton hat sich in eine leere Umzugskiste verkrochen und teilt meine Depression, obwohl ich ja bekanntermaßen der Umzugsfan schlechthin bin. Julia hasst Umzüge, weil sich Leute scheiden lassen, um die Umzugsindustrie am Leben zu erhalten. Und der Packer-Chef demontiert unsere alten Schränke mit einem
so lauten Wupp, dass ich befürchten muss, sie nie wieder zusammenzukriegen. Zur offenen Haustür schauen Nachbarn rein. Pia macht sachte die Haustür zu. Sie hat jetzt Tränen in den Augen. Seit einer Woche leben wir im Chaos, und vor uns liegen die Chaoswochen, die daraus bestehen, dass ich brüllend nach meinem Akkuschrauber suche, während Pia nach den Fieberzäpfchen für die Kinder fahndet.
    Wir greifen uns die Kinder und fahren ins neue Haus, das so neu riecht wie ein neues Auto. Schön und ungewohnt. Die alten Gerüche, der Kohl im Treppenhaus, der Moder in der Kammer, sie fehlen mir jetzt schon.
    Dann warten wir auf unsere Möbel. Die Möbel kommen nicht. Es ist schon halb fünf. Wie soll das mit dem Einräumen noch klappen? Wir sind hungrig, verdreckt vom Gespensterstaub, die Kinder nölen und ignorieren den Garten, weil ich ihnen gesagt habe, dass sie den Rasen nicht betreten dürfen. Der muss noch wachsen. Unmutig hocken Julia, Anton und Max auf dem schmalen Kiesstreifen neben
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