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Traumfrau mit Fangzähnen

Traumfrau mit Fangzähnen

Titel: Traumfrau mit Fangzähnen
Autoren: Savannah Russe
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Kapitel 1
    Der Fall
     
     
     
    W ährend ich mich anzog, beschlich mich bei dem Gedanken an den vor mir liegenden Abend ein unbehagliches Gefühl, das von dem trostlosen Februarwetter noch verstärkt wurde. Der Graupelschauer, der eine Stunde zuvor eingesetzt hatte, prasselte gegen das Fenster, und der Wind heulte wie ein Wolf auf der Jagd nach Beute um das Gebäude in der Upper West Side, in dem ich wohnte. Mein ganzes Apartment wirkte ungewohnt kalt und verlassen. Als Vampir friert man schnell, und mit vor Kälte zitternden Händen zog ich meine Stiefel an, griff nach der zu meiner Lederhose passenden schwarzen Motorrad-Lederjacke und verließ schließlich die Wohnung.
    Der Befehl dazu war von meinem Boss gekommen, den ich nur unter dem Namen J kannte. Hätte er mich nicht vor die Tür gejagt, würde ich in meinem mit Cowboys bedruckten Flanellschlafanzug, herrlich warmen Lammfellpantoffeln und mit einer Tasse Kräutertee schniefend und Trübsal blasend in meinem Wohnzimmer umherlaufen und an Darius denken, meinen Ex-Freund. Die Sache hatte sich leider nicht so entwickelt wie gehofft – er war zwar aus den Augen, nicht aber aus dem Sinn. Um so richtig in meinem Elend aufzugehen, spielte ich die ganze Zeit CDs mit alten Songs, die mich zum Weinen brachten, wie »I want to know what love is« von den Foreigners oder welchen von October Project.
    Doch dann rief J an und kommandierte mich zurück an die Arbeit. Als Spionin für einen ultra-geheimen amerikanischen Geheimdienst fühlt man sich wie beim Militär: Die hohen Tiere befehlen, man gehorcht – auch wenn mir mein Instinkt manchmal sagt, dass es ein Fehler ist. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, welch geheimnisvoller Grund hinter Js Anweisung steckte, nicht ins Büro zu kommen, sondern direkt zu einem Irish Pub in Hell’s Kitchen zu fahren. Ich war schon einmal dort gewesen, und wenn man das Essen im Pub mochte, bekam man dort die mit Abstand besten gefüllten Kartoffeln mit Cheddar, Speck und Schnittlauch. Ich sollte mir zwar besser immer irgendetwas Halbrohes, Blutiges bestellen, das einem Fleischfresser wie mir gerecht wurde und das mich vielleicht mit dringend benötigter Energie und einem klein wenig Optimismus versorgte. Doch der Trennungsschmerz und das Ende all meiner romantischen Träume hatten meinen Hunger verfliegen lassen. Andererseits war fehlender Appetit vor dem Hintergrund meiner wahren Natur nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen.
    Schon als J mir auftrug, so schnell wie möglich in diese Bar namens Kevin St. James zu fahren, überfiel mich eine seltsame Vorahnung, und während ich seinen weiteren Anweisungen lauschte, umfasste eine eiskalte Hand mein Herz. Ich hätte auf meine Instinkte hören sollen, schließlich hatten sie mich annährend fünfhundert Jahre am Leben erhalten. Ich hätte J sagen sollen, ich sei krank. Ich hätte zu Hause und in Sicherheit bleiben sollen. Aber ich tat nichts dergleichen. Stattdessen befolgte ich seinen Befehl.
    Als ich die Lobby meines Apartmentgebäudes betrat, winkte der Portier augenblicklich ein Taxi für mich heran und hielt mir die hintere Tür des Wagens auf, so dass ich nur kurz durch den Graupelschauer huschen musste. Ich zog die Tür zu und strich mit meinen blassen Fingern eine Haarsträhne hinters Ohr. »Eighth Avenue, zwischen der Sechsundvierzigsten und Siebenundvierzigsten«, sagte ich. »West Side, ein Pub namens Kevin St. James.«
    Der Fahrer grummelte ein »In Ordnung« und fuhr derart rasant an, dass ich in den Sitz gepresst wurde. Am Rückspiegel hing ein Lufterfrischer, der eigentlich den Duft von Leder versprühen sollte, jedoch penetrant nach Erbrochenem roch und meinen Magen zum Rebellieren brachte. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Als ob ich durch die Nervosität und Anspannung nicht schon gereizt genug gewesen wäre! Offenbar hatte J einen neuen Auftrag für mich und die anderen Vampire im Team Dark Wing, und darauf war ich mental überhaupt noch nicht vorbereitet. Vielmehr suhlte ich mich unablässig in Selbstmitleid, und das alles nur wegen dieses verdammten Darius. Vielleicht war ein wenig Aufregung ja genau das Richtige, um mich abzulenken.
    Die Straßen waren nass und glitschig. Das Taxi fuhr viel zu schnell und geriet jedes Mal bedenklich ins Schlittern, wenn es an einer roten Ampel halten musste. Gelbe und blaue Neonlichter spiegelten sich auf dem eisig glänzenden Bürgersteig, und die Welt schien sich in ein Kaleidoskop aus irrwitzigen Farben verwandelt zu
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