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Mein grosser Bruder

Mein grosser Bruder

Titel: Mein grosser Bruder
Autoren: Berte Bratt
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Strumpfhose.
    Aber im nächsten Augenblick kletterte sie behende die Leiter hinauf, und kurz darauf kam sie oben auf der dekorativen Treppe zum Vorschein. Niemand konnte ihr ansehen, daß sie gerade wie ein Affe geklettert war.
    Dann wurde das Spiel abgebrochen. Der Regisseur gab einige Anweisungen, und uns wurde die nächste Szene erklärt, wie wir uns nach und nach unbemerkt zurückziehen sollten, so daß Elsa und der Held die Bühne für sich allein hatten.
    Das war mein wertvoller künstlerischer Einsatz im ersten Bild des ersten Aktes. Im zweiten Bild und bei der gleichen Dekoration sollte ich ein elegantes Abendkleid tragen und mit Torsten hinter einer großen Glaswand tanzen, zu einer Musik, die das Publikum fast nur ahnen konnte, denn inzwischen sollte ja das Spiel vor der Glaswand seinen Fortgang nehmen.
    Nun gut, wir tanzten. Ich merkte gleich, daß dieser Teil der Arbeit der leichteste und lustigste sein würde. Allerdings war es sehr eng, und Kulissenstaub umwirbelte uns. Und wenn wir mal aus dem Gesichtsfeld des Publikums gerieten, um bald darauf wieder aufzutauchen, mußten wir uns um die Leiter winden und um einen Haufen zusammengeklappter Strandstühle, die im nächsten Akt gebraucht wurden.
    Dann kam der zweite Akt ohne uns Statisten und im dritten Akt ein Badestrand. Der Regisseur saß da, die Nase im Manuskript vergraben. Plötzlich schaute er auf.
    „Laßt mich sehen, wer kann das machen…“, seine Augen glitten über die Reihe der Statisten. Ich hatte schon herausbekommen, daß ich die kleinste und dünnste und wahrscheinlich auch die jüngste von allen war.
    „Du, die Kleine da – Fenger, nimm den Ball da rechts; Nilsen, gib ihr den Ball, so, ja, bilde dir ein, daß du vierzehn Jahre bist und verspielt wie ein junges Kätzchen. Nimm den Ball zwischen die Hände, hebe ihn, während du läufst – so…“
    Nachdem er mich eine Viertelstunde geschliffen hatte, war mir klar, was ich tun sollte. Leicht wie eine Feder über die Bühne laufen, mit einem riesengroßen Wasserball, ihn in die Kulissen werfen, selbst über ein niedriges Geländer springen und hinunter verschwinden in etwas, was das Publikum für ein Boot halten sollte, das in Wirklichkeit aber eine Matratze war, die mich weich aufnahm.
    Meine elfenhafte Flucht über die Bühne hatte eine gewisse Bedeutung: Elsa sollte nämlich nachher vor Eifersucht toben. Ihr Held hatte mir einige begehrliche Blicke nachgeworfen.
    Dieses Begehren wurde verständlich gemacht durch das Kostüm, das ich am nächsten Tag geliefert bekam.
    Nur beim allerbesten Willen konnte man das Minimum, das ich anziehen sollte, ein Kostüm nennen. Meine Nacktheit wurde nicht bedeckt, sondern vielmehr unterstrichen. Ich bekam einen Tangaslip ausgehändigt und dazu ein Oberteil, das aus mehreren schmalen Bändchen und zwei briefmarkengroßen Stoffstückchen bestand. Die Hüften blieben nackt, die Rundungen meines Allerwertesten waren deutlich zu erkennen – mit anderen Worten, die Heldin hatte allen Grund, eifersüchtig zu werden.
    Ich mußte mich von oben bis unten sonnenbraun schminken, was viel mühsamer war, als den Körper mit richtigen Kleidungsstücken zu bedecken.
    Ja, falls Johannes sich eines Abends ins Theater verirren sollte, dann – bei dem Gedanken wurde mir schwindelig. Vielleicht war es das kindliche Benehmen, das der Regisseur von mir verlangte, das die Erinnerung an die strafende Haarbürste von damals so beunruhigend nahebrachte.
    Aber als dann die Generalprobe kam und ich hinter der Glaswand in einem trägerlosen goldgelben Kleid und in einer schwarzen Perücke tanzte, da fand ich meine neue Tätigkeit sehr amüsant. Als ich elfengleich über die Bühne wirbelte, mit meinem sonnenbraunen Körper, im Minitanga, und den großen Ball in einem flotten Bogen warf, da fühlte ich mich federleicht und froh. Und als Torsten mich auf der Matratze auffing und sagte: „Donnerwetter, ich kann gut verstehen, daß Elsa vor Eifersucht zerspringt“ – da fand ich das Leben lustiger als je zuvor.
    Wir hatten im ganzen vier Proben gehabt. Am ersten Abend war ich zeitig von zu Hause fortgegangen und hatte gesagt, ich ginge zu Elsa. Am zweiten Abend war Johannes merkwürdigerweise selbst einmal aus. Der halbjährliche Besuch bei seinem Vater war fällig. Am dritten Abend ging Johannes zeitig zu Bett und merkte nicht, daß ich gleich nach seinem Verschwinden davonschlich. Die Probe sollte erst um elf beginnen.
    Am vierten Abend sagte ich, daß ich mit Lilian ins
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