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Mein grosser Bruder

Mein grosser Bruder

Titel: Mein grosser Bruder
Autoren: Berte Bratt
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sagte ich.
    Elsa stand auf und goß Tee ein. Und ich saß da mit dem bedrückenden Gefühl, daß ich trotz allem Mamilein verraten hatte – und daß unsere Bemühungen doch nicht viel genützt hatten. All das, was Johannes und ich viele Jahre hindurch getan hatten, um zu verbergen und zu bemänteln. Mamilein war zu gut bekannt, alle wußten Bescheid über sie. Die Leute schüttelten ihre Köpfe und lächelten gutmütig über sie - bestenfalls. Es waren wohl auch einige, besonders Frauen, deren Kopfschütteln genau das Gegenteil von gutmütig war. Ich schnitt ein anderes Thema an.
    „Du, Elsa, weißt du, was ich wünschte? Daß ich einen Beruf hätte, eine Arbeit, bei der ich ein wenig verdienen könnte und durch die ich meine leeren Stunden besser ausnützen könnte. Das bißchen Haushaltführen für zwei Personen füllt mich ja doch nicht aus.“ Elsa nickte.
    „Das verstehe ich gut. Vielleicht am besten eine Arbeit, die dich mit anderen Menschen zusammenbrächte und damit etwas Abwechslung in deinen Alltag, nicht?“
    „Ja, genau das.“ Elsa sah mich abschätzend an.
    „Du bist hübsch“, sagte sie plötzlich.
    „Was… was sagst du da?“
    „Hübsch, sagte ich. Du bist wirklich hübsch, Vivi. Ich denke darüber nach“, Elsa sah mich wieder an, „ob ich dir eine Beschäftigung vorschlagen kann.“
    „Vielleicht als Mannequin?“ Ich sagte es selbstverständlich ironisch.
    „Nicht gerade das, nein. Hör mal zu, würde dein braver Bruder dich wohl einige Stunden am Tag beurlauben?“
    „Gott bewahre! Mein Heim ist doch schließlich kein Gefängnis. Und wenn wir um sechs Kaffee getrunken haben, habe ich für den Rest des Tages nichts mehr zu tun. Wir essen ja so spät zu Mittag, daß wir kein Abendessen brauchen. Was ich also eigentlich haben möchte, wäre eine Abendbeschäftigung. Ihr habt wohl keine Verwendung für ein Konfektfräulein in eurem Theater? Du weißt, so ein blondlockiges Ding – die blonden Locken sind schon vorhanden – in einer kessen Uniform, so ein Mädchen, das von den älteren Jahrgängen hier und da ein Kläpschen kriegt, besonders da…“
    „Nein“, sagte Elsa. „Aber ich denke an das Lustspiel, das wir jetzt proben, mit meiner Wenigkeit in der Hauptrolle. Darin werden viele Statisten gebraucht. Keinen Muckser sagen, weißt du, bloß auf der Bühne sein, kommen und gehen, als Volksmassen und so weiter, und dabei einige Kronen am Abend verdienen. Würdest du das scheußlich finden?“
    „Bist du verrückt? Begeistert würde ich sein! Du redest von Menschen treffen – das würde ich dabei haben und ringsherum Leben, Spannung, Licht und Farben – und…“
    „Na, na“, beruhigte Elsa, „male es nur nicht allzu himmelblau aus, Mädchen! Theaterleben ist eine größere Strapaze, als du ahnst. Aber wenn du willst, kannst du sicher einen Statistenjob bekommen. Für dieses Stück wenigstens.“
    „Ja“, sagte ich, aber da fiel mir plötzlich etwas ein. „Nein, es geht wohl doch nicht, wegen der Proben. Ihr probt doch wohl den ganzen Vormittag?“
    „Nein, nicht mit den Statisten. Die sind bloß bei den letzten Proben dabei, und die haben wir am Abend nach der Vorstellung. Beinahe alle Statisten haben tagsüber eine Arbeit und nehmen diese Beschäftigung im Theater nur als Extraverdienst an.“
    „Ja, dann!“ sagte ich erleichtert. Mein Herz schlug höher bei der Aussicht, eine Arbeit zu bekommen, neue Menschen kennenzulernen, vielleicht lustige Kostüme zu tragen, Theaterluft, Schminkeduft und Kulissenstaub zu atmen.
    „Also, wenn du wirklich willst“, sagte Elsa, „dann komm morgen gegen halb elf ins Theater. Die Probe beginnt um elf. Da wollen wir sehen, was wir mit dem Regisseur in der halben Stunde ausmachen können.“
    Am nächsten Tag um elf Uhr hatte ich mich verpflichtet, als Statistin in dem Lustspiel „Zwei in einem Kutter“ aufzutreten, solange es auf dem Programm stand. Für zehn Kronen pro Abend.
    Ich sollte im ersten Akt ein Gast in einer Hotelhalle sein, im zweiten Akt nichts und im dritten Akt ein junges Mädchen am Badestrand. Für Schuhe und Strümpfe mußte ich selbst sorgen, alles andere würde ich vom Theater bekommen.
    Ich war glücklich und schwebte heim in meinem Nutriamantel.
    Vorderhand erzählte ich Johannes nichts. Mir schien es besser, vorläufig zu schweigen. Sollte es zu einer Explosion kommen, dann lieber so spät wie nur möglich.
    Ich sollte telefonisch Bescheid erhalten, wann die Proben mit den Statisten beginnen würden.
    In der
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