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Mein grosser Bruder

Mein grosser Bruder

Titel: Mein grosser Bruder
Autoren: Berte Bratt
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ist?“
    „Doch, ja“, sagte Johannes.
    „Du.“ Ich blieb stehen. Plötzlich wußte ich, was mich abgestoßen hatte! „Du, Johannes, ist das nicht sehr sonderbar, daß ein Mann einer Frau Pelze und Brillanten und ein wunderbares Haus gibt, ohne daß sie einen Gegenwert bietet? Wir wissen doch beide, daß sie nie einen Knopf für ihn festnähen oder eine Tasse Kaffee für ihn machen würde. Sie bezahlt für diesen Reichtum bloß… mit… bloß mit ihrem Charme – bloß mit ihrem weiblichen Charme.“
    „Du meinst ihre geschlechtlichen Reize?“ sagte Johannes, und seine Stimme war hart wie Glas.
    Ich sah ihn erschreckt an. Erst später verstand ich, daß jahrelange Bitterkeit, jahrelange hoffnungslose Versuche, Mamilein zu einem anderen Lebenswandel zu bringen, jahrelang aufgespeicherter Widerwille gegen Mamileins Lebensart in diesen wenigen Worten zum Ausbruch kamen.
    Wir schwiegen wieder. Ich wußte, daß Johannes nichts weiter sagen würde. Seine ritterliche Nachsicht Mamilein gegenüber war grenzenlos. Zum erstenmal war ein Sprung in den Panzer gekommen, mit dem er sich jahrelang umgeben hatte.
    Ich würde bestimmt nicht versuchen, ihn von dieser Haltung abzubringen. Schweigend ging ich an seiner Seite und hatte ihn gern. Zu Hause zogen wir stumm unsere Mäntel aus.
    Dann wandte Johannes sich zu mir um. „Weißt du, jetzt hätte ich eigentlich Lust auf eine Tasse starken Kaffee.“
    Ach, der gute brave Johannes! Ein anderes Mannsbild hätte sich einen dreifachen Whisky gewünscht.
    Ich deckte den Kaffeetisch besonders hübsch, wagte sogar, eine Likörflasche daraufzustellen. Und Johannes protestierte nicht im geringsten, daß ich die Gläser vollschenkte und meines erhob: „Prost, Johannes!“
    Er lächelte. Sein Lächeln hatte Wärme und Charme. „Zum Wohl, Vivi! Es ist schön, daheim zu sein!“
    Ehe Johannes am nächsten Morgen fortging, bat er mich kurz und sachlich, um halb eins ins Büro zu kommen. Er wollte gern in der Mittagspause eine Besorgung machen und mich dabei haben. „Ist es etwas Unangenehmes oder etwas Nettes?“ fragte ich. „Wollen hoffen, daß du es nett findest. Also um halb eins.“
    Ich war pünktlich und platzte fast vor Neugier.
    Auch heute schien die Sonne. Ich fühlte mich, ehrlich gesagt, recht schäbig in meinem Wollmantel und wünschte, es wäre warm genug für das Kostüm gewesen. Aber mit der Wärme war für dieses Jahr wohl Schluß.
    Johannes sagte nichts, aber er hatte frohe Augen.
    Vor dem größten Pelzgeschäft der Stadt blieb er stehen. „Du sollst einen Pelzmantel haben, Vivi. Ich kann dir zwar keinen Nerz kaufen, aber etwas Solides und Warmes möchte ich dir schenken.“
    Noch ehe ich die Sprache wiedergefunden hatte, standen wir in dem Geschäft.
    Und ehe ich mich’s versah, hatte Johannes mir meinen Mantel abgenommen. Die Verkäuferin fragte, an welche Farbe ich gedacht habe und ob ich eine bestimmte Pelzart wünsche.
    Ich hatte überhaupt noch nichts gedacht und war in diesem Augenblick vollkommen außerstande, einen Gedanken zu formulieren. Johannes sprach für mich. Und so stand ich da, angetan mit etwas Weichem, mollig Grauem… Alle Nerze der Welt konnten nicht konkurrieren mit diesem weichen Grauen. Fohlen, Lamm, Nutria, Bisam wurden mir anprobiert. Von allen war ich begeistert.
    „Dieser hier kleidet die gnädige Frau wunderbar“, sagte die Verkäuferin.
    „Ich fand, der vorige stand meiner Schwester besser“, meinte Johannes.
    Die Verkäuferin stand hinter mir. Ich sah ihr Gesicht im Spiegel. Es war mir, als spielte ein winziges Zucken um ihre Mundwinkel.
    Endlich einigten wir uns. Ein schlichter, hübscher Nutriamantel. Die Verkäuferin versicherte, er würde fünfzehn Jahre halten.
    Johannes bezahlte mit einem Bündel Hundertkronenscheinen. Ach, Johannes blieb sich doch immer gleich! Jeder andere Mann würde sein Scheckbuch und den Kugelschreiber herausgeholt haben.
    Die Knöpfe mußten versetzt und der Mantel sollte am nächsten Tag geschickt werden.
    „Wie ist der Name?“ fragte die Verkäuferin.
    „Kruse“, sagte Johannes.
    „Fenger“, sagte ich. Wir sagten es gleichzeitig. Die Verkäuferin beugte sich über den Kassenblock, und nur weil ich sie direkt anstarrte, entdeckte ich wieder das Vibrieren im Mundwinkel.
    „Johannes“, sagte ich, als wir wieder auf der Straße standen, „glaubst du, die Verkäuferin dachte, daß wir…“
    „Es schien so“, sagte Johannes.
    „Vielleicht glaubt sie, daß wir verlobt sind“, versuchte ich
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