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Midleifcrisis

Midleifcrisis

Titel: Midleifcrisis
Autoren: Leif Lasse Andersson
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Prolog
    »Du dämliche Sau!«
    Leif war traurig, aber noch viel zorniger, als sein Benz-Cabrio nach einer weiteren sinnlos vervögelten Nacht über die Autobahn in Richtung Hamburg rauschte. Neben ihm auf dem Beifahrersitz räkelte sich der Cowboy zufrieden im Ledersitz. »Mach mal halblang, Alter, war doch gar kein übler Fick.«
    »Nein, gar nicht übel«, sagte Leif, ohne den Kopf zum Cowboy zu drehen, denn niemand wusste so gut wie er, dass dieser unsichtbar war, für den Rest der Welt sowieso und meistens auch für ihn, den Mann, der bei den falschen Frauen so viel Erfolg hatte. Leif spürte den Geschmack von zu vielen Zigaretten, zu viel Wodka-Redbull und einem weiteren One-Night-Stand im Mund. »Sie hatte einen Arsch, sie hatte zwei Titten und zwei Beine zum Breitmachen, und viel mehr hast du noch nie verlangt.«
    »Aber sie hatte Brustwarzen-Piercings«, gab der Cowboy zu bedenken, »und so was hatten wir lange nicht.«
    Aber auch diese Frau war nicht die gewesen, die Leif suchte, nicht die, nach der er sich sehnte, er hatte es lange vorher gewusst und es trotzdem getan. 400 Autobahnkilometer abgerissen und sie ohne Zögern vom Cowboy vögeln lassen. Weil er immer das tat, was der Cowboy wollte, und weil er nicht viel zu sagen hatte in ihrem gemeinsamen Leben.
    Und plötzlich wusste Leif, dass der Cowboy sterben musste, auch wenn er, der kleine Junge, einen furchtbaren Preis dafür zu zahlen hätte. Doch am Ende würde er frei sein und vielleicht sogar Frieden finden.
    »Halt dich fest, Cowboy!«, murmelte Leif leise in den Wagen hinein. Und während er das Gaspedal durchdrückte und nach seinem Gurtschloss tastete, um es ohne Bedauern zu lösen, erwachte der Sechszylinder aus seinem brummeligen Dämmerschlaf und die Tachonadel marschierte zügig in Richtung der 200er-Marke.
    »Mach keinen Scheiß, Alter!«, rief der Cowboy, und zum ersten Mal seit 33 Jahren klang er nicht überlegen, gelassen und allmächtig, sondern doch einen Tick nervös. »Komm schon, ich weiß, dass du gerade traurig bist, aber wir stehen das durch, gemeinsam, so wie immer. Pass mal auf, nächste Woche meldet sich Melanie, du weißt schon, die Germanistikstudentin, ich glaub fast, sie könnte es werden, sie hat was im Kopf, genau das, wonach du suchst, so ein bisschen der Laura-Typ, scheu und klug und Bambi-Augen, und sie trägt Zöpfe, ich weiß doch, auf was du stehst.«
    Doch Leif hörte nicht auf die Stimme, die ihn seit Jahren von einem Bett ins nächste getrieben hatte, und malte sich den Aufprall aus. Würde es wehtun? Oder würde es einfach nur dunkel werden, während sich der Motorblock den Weg durch seinen Brustkorb bahnte, so wie es vor Jahrzehnten die Lenksäule eines alten VW-Käfers bei seinem großen Bruder Holger getan hatte?
    Laura, seine große, verlorene Liebe, würde um ihn weinen, das wusste er, aber wenn es jemanden gab, der ihn verstehen konnte, dann würde sie es sein.
    Elke, seine Ex, würde gleich nach Erhalt der Nachricht schnell nachsehen, ob noch alle Lebensversicherungen auf ihren Namen liefen, und Leif würde sie nicht enttäuschen, denn wenigstens in finanzieller Hinsicht hatte er das noch nie getan.
    Die Kinder würden verzweifelt sein, aber Elke würde sie auch weiterhin behüten und eines Tages, wenn sie groß wären, würden sie ihn vielleicht vergessen, ihren Papi, der sie im Stich gelassen hatte.
    Leif verspürte eine vage Vorfreude aufwallen: auf all das friedvolle Nichts, das ihn erwartete, und auf das Ende der verfluchten Traurigkeit. Und während er die unwiderruflich letzte Marlboro anzündete, sah er rechts und links die Gesichter seiner Frauen an den Scheiben vorbeihuschen. Die Gesichter derer, die er geliebt hatte, die Gesichter derer, die er hatte lieben wollen, die Gesichter derer, die er bloß gevögelt hatte. Alle Gesichter aller Frauen, die er enttäuscht hatte, was, wenn man es genau betrachtete, lediglich die Summe der ersten drei Teilmengen war.
    »Komm schon, Cowboy«, sagte Leif, während die Tempo-80-Schilder einer Baustelle vor ihm auftauchten und er das Gaspedal bis zum Anschlag auf das Bodenblech drückte. »Dann wollen wir doch mal sehen, wie schnell du reiten kannst.«

Leif
    Herhören, Jungs, ich schreibe für euch da draußen, die ihr ratlos mitanseht, wie euer Leben vorbeizieht, während ihr den Rasen vor der Doppelhaushälfte mäht, bevor ihr schnell die Kinder vom Turnfest holt, den Grill anschmeißt und euch anmeckern lasst, weil die Würstchen wieder angebrannt sind,
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