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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung
Autoren: Rolf Ersfeld
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etwas unheimlich, auf der anderen Seite reizten ihn die abseits gerader Linien funktionierende Betriebsphilosophie und die großzügig in Aussicht gestellten Autos, deren er sich meist bedienen durfte. Die Kollegen begegneten ihm mit Misstrauen und Einsilbigkeit, was ihn nicht störte; er hatte Verständnis dafür, sich erst bewähren zu müssen, bevor er in diesen homogenen Kreis aufgenommen werden konnte.
    Nachdem er einige Monate, mehr schweigend als redend, seine Arbeit verrichtet hatte, deren Qualität uneingeschränkt Zustimmung fand, stieß ihm Fips kumpelhaft den Ellbogen in die Seite und reichte ihm mit anerkennender Miene die geöffnete Bierflasche. Sie hatten bis in den späten Abend eine komplizierte Reparatur erledigt, weil Mattuschke sie dem Kunden zugesagt hatte, der den Wagen am nächsten Morgen dringend benötigte. Seit drei Stunden waren sie die Letzten in der Werkstatt.
    »Das haben wir uns redlich verdient, hätte nicht gedacht, dass wir das heute noch hinkriegen, hast wirklich ein Händchen für so was, mein Junge«, lobte er.
    Rick nickte, brummte etwas Unverständliches und trank sein Bier, während er Fips beobachte. In seinen besten Zeiten war er, wie er von anderen Kollegen erfuhr, ein raffinierter Taschendieb, dem es über Jahre gelang, sich polizeilichem Zugriff zu entziehen. Da er ausschließlich Damen Geld und Schmuck stahl, nannte man Philipp Kurtz in Ganovenkreisen ,Lady finger’-, heute war er nicht mehr schnell genug für unbemerkte Zugriffe und schlug nur noch in todsicheren Fällen zu. Alkohol über etliche Jahre hinweg hatte sein Gesicht gerötet und den Kopf permanent zittern lassen, die auffällige Knollennase war mit unzähligen roten Äderchen durchzogen, die schon eine Tendenz zu blau zeigten. Die kleinen Augen waren listig auf ihn gerichtet.
    Mit einem vernehmlichen Rülpser stellte er die leere Flasche ab. »Ich zeig’ dir mal was«, forderte er Rick auf, mit ihm in die nebenan liegende Materialkammer zu gehen. Er räumte Kanister, Schleifscheiben und Planen zur Seite, dann öffnete er die darunterstehende Kiste, randvoll gefüllt mit Metallteilen. Er sprach gedämpft: »Das habe ich über lange Zeit abgezweigt, dafür gibt’s einen schönen Batzen Geld. Ich denke, wir haben uns für die Zusatzstunden einen Extralohn verdient. Meinst du nicht auch?«, kicherte er vor sich hin, »ich weiß, wo wir das Zeug loswerden, aber mich kennt man zu gut, das ist riskant, du bist neu, dich bringt keiner mit unserem Laden in Verbindung.« Er hustete eine Weile.
    »Wir packen die Kiste gleich ins Auto, du kriegst die Adresse, und morgen teilen wir uns den Reibach, halbe – halbe. Ist doch ein Geschäft, was? Keiner merkt’s, niemandem tut’s weh«, dabei schlug er ihm freundschaftlich auf die Schulter.
    »Bist in Ordnung Rick, mit dir kann man Pferde stehlen«, er pfiff leise durch die Zähne und hob die Kiste an einer Seite hoch. »Auf geht’s Sportsfreund«, er sah ihn auffordernd an. Rick hatte die ganze Zeit geschwiegen, wie es seine Art war.
    »Nee Fips, ohne mich, der Polizei ein Schnippchen schlagen, da bin ich dabei, aber nicht gegen Mattuschke, da musst du dir einen anderen suchen. Wir haben nie darüber gesprochen«, brummte er, nahm die geleerten Bierflaschen und fuhr mit einem schnittigen Alfa röhrend davon.
    Noch am gleichen Abend informierte Fips seinen Chef darüber, dass Rick nicht in die gestellte Falle tappte. Mattuschke nickte zufrieden und legte den Hörer auf, er hatte sich nicht in Rick getäuscht. Menschenkenntnis und -manipulation gehörte zu seinen ausgeprägtesten Fähigkeiten, sie waren auf dem dünnen Eis, das er ständig beging, unerlässlich und Garanten seines Erfolgs. Rick erfuhr nichts von dem nächtlichen Telefonat, wunderte sich allerdings, dass man ihm in den nächsten Tagen aufgeschlossener begegnete und ihn in Gespräche einbezog, was man vorher immer vermieden hatte.

Louise lebte auf ohne die ständigen Streitereien, verbrachte mit ihrem wortkargen Partner eine harmonische Zeit, die jedoch den inneren Widerwillen gegen die räumlichen Verhältnisse nicht beseitigen konnte. Bei Tageslicht besehen, war die Bude in noch schlechterem Zustand, als sie es beim ersten Besuch in der Nacht empfand, die Fassade heruntergekommen, der Putz abgeblättert und das schmiedeeiserne Tor schief in den Angeln. Die Tapete wies Schimmelflecken auf, Kacheln waren abgebrochen, deren Risse und Bruchspalten Bakterien ideale Zuflucht boten, den fleckigen Teppichboden
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