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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung
Autoren: Rolf Ersfeld
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zu machen.«
    »Aber ganz und gar nicht«, warf Louise ein, »die Fakten liegen klar auf der Hand. Man weiß doch, dass diejenigen, die jetzt dringend Kinder bekommen müssten, um das Bevölkerungs-Defizit auszugleichen, gar nicht geboren wurden. Sie sind als potentielle Eltern überhaupt nicht vorhanden. Die Politik hat bei der Rentenfinanzierung gravierende Fehler begangen und es über Jahre versäumt, notwendige Anreize für das Bevölkerungswachstum zu schaffen, obwohl man die Entwicklung kannte.«
    »Ich möchte jedenfalls keine Kinder«, ließ sich Rick vernehmen.
    »Aber später nach der Rente rufen, das ist die richtige Einstellung. Wir brauchen Geburten, sind eindeutig ein Einwandererland und haben dringend Zuzug von außen nötig, um die Bevölkerungsbilanz zu verbessern«, sagte sie erregt und sichtlich verärgert über Ricks Bemerkung: ,Ist doch alles Quatsch’. Mattuschke hatte den verbalen Austausch amüsiert verfolgt und pflichtete Louise bei.
    »Natürlich brauchen wir Zuzug, das Problem liegt nur darin, die engagierten von denen zu trennen, die nur die soziale Hängematte suchen, ohne sich integrieren zu wollen.«
    Die Gläser waren geleert, der Gastgeber erhob sich, dankte für den charmanten Besuch, entschuldigte sich noch einmal für die durch ihn verschuldete Verspätung.
    »Ich hoffe, Sie bald wiederzusehen, aber nicht nur zur Stippvisite«, er brachte sie zum Hof.
    »Vielen Dank, Herr Mattuschke, für den edlen Wein, die Zeit ist wie im Flug vergangen. Wir kommen auf Ihr Angebot zurück«, sagte sie lachend, bevor sie zu Rick ins Auto stieg.
    Sie brauchte fast die ganze Wegstrecke, um ihren Ärger über seine dummen Bemerkungen zu verdauen, so dass sie schweigend nebeneinander saßen. Ihn schien es nicht zu stören. Mit beklemmendem Gefühl betrat sie wieder die Wohnung. Irgendwie war sie froh, heute noch in der Försterklause zu arbeiten und sich dieser Raumidylle zu entziehen.
    »Kannst du mich gegen 24:00 Uhr abholen«, fragte sie, als sie Gilas Wagen vor der Tür hörte. »Klar«, war seine umfassende Antwort. Bei dieser Gelegenheit wollte sie ihn Gila vorstellen, sie hätte sie natürlich auch hereinbitten und beide hier bekannt machen können, aber sie schämte sich ihrer derzeitigen Behausung, die sich heute, aus welchen Gründen auch immer, eines aufdringlichen Kohlgeruchs erfreute.
    In der Gaststätte war an diesem Abend ein Höllenbetrieb; obwohl noch eine dritte Kraft zur Verfügung stand, hatte sie nicht Hände genug, um alle Wünsche zu erfüllen. Ständig balancierte sie mehrere Teller mit dampfenden Speisen gleichzeitig durch das Gewirr, wünschte guten Appetit und eilte an den Tresen zurück, um die inzwischen gezapften Biere zu servieren. Sepp Panneder, Besitzer der in dunklem Holz getäfelten, gemütlichen Klause, hatte seit kurzem Themenwochen in das Speiseangebot eingeführt, die mit großem Interesse angenommen wurden, und die derzeitige Kartoffelwoche avancierte zum absoluten Höhepunkt. Reibekuchen mit Lachstatar oder rotem Kaviar liefen neben Knödeln mit Schweinekrustenbraten wie verrückt und ließen die Kasse mächtig klingeln. So gab es keine Gelegenheit mehr, über ihren Ärger nachzudenken, der verflogen war, als Rick zur ausgemachten Zeit am Tresen erschien.
    »Ich bin gleich soweit, muss nur noch abrechnen«, rief sie ihm zu. Dann stellte sie ihn Gila vor. Sie setzten sich kurz zusammen, Rick trank eine Cola, die der Chef spendierte, und Gila plapperte munter auf ihn ein. Es war schon spät, als sie nach Hause fuhren. Gila warf ihr eine Kusshand zu: »Sehen wir uns morgen Abend?«
    »Ja, dann gute Nacht, bis morgen.«
    Am nächsten Abend fragte sie Gila nach ihrem Eindruck.
    »Er ist ein echter Typ, da gibt’s nichts, sieht gut aus, scheint aber nicht der Gesprächigste zu sein.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Du kennst mich und meine ungeschminkte Meinung. Der Mann ist nichts für dich, vielleicht für die Nacht, aber auf Dauer verhungerst du menschlich und geistig bei ihm. Du bist ein lebenslustiger, kommunikativer, interessierter Mensch und hast was im Hirn. Glaub mir, das geht auf lange Zeit nicht gut. Sorry, ist sicher nicht das, was du gerne gehört hättest, aber meine ehrliche Überzeugung.«
    Louise war ernstlich pikiert: »So eine Neunmal-Kluge wie du kann vortrefflich in die Zukunft schauen und weissagen, das ist unsereinem natürlich nicht gegeben.«
    Sie verabschiedete sich kühl von ihr. Am liebsten hätte sie noch ergänzt: »Deshalb
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