Mattuschkes Versuchung
Enthüllungen vertrieb.
Pünktlich trafen sie bei Mattuschke ein und waren erstaunt, dort nicht alleine zu sein, sondern eine kleine Gästerunde anzutreffen. Rick lockerte sich mit einer raschen Handbewegung gleich den Kragen, offenbar gefiel ihm die Situation nicht, wie ihm schon die ganze Einladung suspekt war, aber Louise hatte ihn dazu überredet. Mattuschke stellte sie einander vor. Außer dem Gastgeber waren eine Dame und zwei Paare auf der Terrasse und tranken Champagner.
»Ich freue mich ganz besonders, dass Sie gekommen sind«, raunte er ihr zu und schenkte ungefragt Champagner ein, Rick bestand auf einem Glas Bier, er vertrage kein ,Blubberwasser. Nach kleinem Plausch der Gäste, dem Ehepaar Rudinsky, vielleicht um die fünfzig, aufgeschlossen, dynamisch, bodenständig und sympathisch, einem weiteren, jüngeren, mit dem bayrischen Adelsnamen ,Huber’, das einen blasierten Eindruck machte und Vera Lanek, wahrscheinlich Mattuschkes Freundin, vielleicht Ende dreißig und die Lebendigkeit in Person, die den Small-talk mit melodischer Stimme lenkte, ging man zu Tisch. Als man Platz genommen hatte, trat eine Bedienung mit endlos langen Beinen in Erscheinung, die offenbar für den Abend engagiert war und routiniert den Service übernahm.
Sie trug köstlich duftende Garnelen auf einem Salatbett mit Kräutern und essbaren Blüten auf. Louise, die leidenschaftlich gerne Schalentiere aß, nahm eins der großen Exemplare in die Hand, brach Kopf und Schale ab und schob es in den Mund. Der Geschmack war umwerfend, kein Hauch von Fisch, nur die sanfte Süße der Krustentiere, untermalt von feinstem Röstaroma. Unwillkürlich schloss sie die Augen. Das Fleisch war fester, als sonst. Grandios. Als sie sie öffnete, hatte sich Rudinskys Blick auf sie geheftet, als dürfe ihm nicht die kleinste Reaktion entgehen. Sie wich seinem Blick nicht aus, er war interessiert, nicht aufdringlich oder frivol, wie sie im ersten Moment befürchtete.
Die Erklärung für den Genuss folgte schneller, als sie dachte. Es gab einhelliges Lob für die hervorragende Vorspeise, zu der ein trockener Muscadet getrunken wurde. Man lobte den Koch, den Mattuschke ebenfalls engagiert hatte und der in der Küche anonym sein Können zelebrierte, aber auch Rudinsky und seine Frau für die außergewöhnliche Ware. Was Louise zunächst nicht glauben konnte, sie betrieben tatsächlich eine Garnelenfarm in der Nähe, offenbar die einzige Deutschlands und hatten mit dieser mutigen Idee riesigen Erfolg. In der Tat hatte noch keiner Garnelen solcher Qualität gegessen. Rudinsky strahlte: »Vor zwei Stunden sind die Tierchen noch munter herumgeschwommen, bevor sie ihr Leben im Eiswasserschock beendeten.«
Sie interessierte sich auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht brennend für die Geschäftsidee der Rudinskys, langjährige Bekannte Mattuschkes. »Wir hatten früher einen Bauernhof mit Forellenteichen. Als sich Hof und Viehzucht nicht mehr rentierten, stellten wir auf Biogas um und lieferten die Energie zu auskömmlichen Preisen weiter. Vor allem der angebaute Mais bildete die benötigte Biomasse. Da sich die Forellenzucht schon über Jahre einen festen Kundenstamm aus Gastronomie, Privat- und Versandkundschaft geschaffen hatte, lag die Idee nahe, eine Bio-Garnelenzucht anzugliedern, zumal immer häufiger Klagen über die mit Medikamenten oder Chemie belasteten Tiefkühlprodukte aus Fernost zu hören waren. Viehställe und Heuschober bauten wir zu mehretagigen Becken aus, in denen wir die empfindlichen Tierchen heranzogen. Da die auf 30° C. temperiertes Wasser benötigen, konnten wir das Bachwasser, das bereits die Forellenteiche speiste, mit Salz anreichern und die erzeugte Biogaswärme trefflich einsetzen.« Man verfolgte die Schilderung fasziniert, unglaublich und exotisch mutete sie an.
»Wo kommen denn die Larven her?«, fragte sie neugierig.
»Aus den USA, wir ziehen sie in unseren Becken mit ausgezeichneter Wasserqualität, überwacht von Labor und Veterinär, groß und verkaufen sie frisch nach Anfrage.
Die, die wir gerade aßen, habe ich bevor wir hierher fuhren, aus den Becken gefischt und mitgebracht. Das gibt die unvergleichliche Festigkeit und den frischen Geschmack des Fleischs.«
»Wie kommt man nur auf eine solche Idee?«, wollte Vera, die einzelne Dame, wissen.
»Mein Sohn und ich haben gelesen, wie stark die Nachfrage in den letzten Jahren angestiegen ist und weitgehend über die Tiefkühlschiene befriedigt wird. Da kam uns der
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