Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung
Autoren: Rolf Ersfeld
Vom Netzwerk:
der sie nicht nur den Kunden, sondern auch den Heißgeliebten verlor. Der setzte seine Ausbildung flugs in München fort, zog, wie sie es formulierte, feige den Schwanz ein und befreite sich durch Zahlung einer Geldsumme für den empfohlenen Schwangerschaftsabbruch endgültig von seinem schlechten Gewissen. Gila ließ in der schwierigen Situation – ihre Mutter war kurz zuvor gestorben – ohne Überzeugung abtreiben und trug seither Misstrauen und eine markante Narbe in der Seele, die sie sich nie anmerken ließ, sondern mit selbstbewusstem Auftreten und schnodderigem Ton überspielte.
    »Was soll ich denn mit so’nem Ding, das ist kalt und unpersönlich«, war Louises erste Reaktion.
    »Probier es doch wenigstens mal, ich sage dir, das geht ab wie ein Zäpfchen.«
    »Typisch Gila«, sie musste im Nachhinein lachen und betrachtete das kleine Teil auf der Glasplatte des altmodischen Nachtischs, den sie aus dem Mobiliar ihrer verstorbenen Großmutter gerettet hatte, mit einer Mischung aus Verlegenheit und zufriedener Anerkennung. Es war nicht so groß wie übliche Vibratoren, die sie aus Prospekten kannte, aber leistungsfähig, wie sie schmunzelnd attestieren musste. Schon eine ganze Weile lag es unbenutzt in der Schublade, aber gerade heute spürte sie ein heftiges Bedürfnis nach Erfüllung. Sicher hing es mit ihrem Eisprung zusammen, aber auch mit den Gedanken an den neuen Assistenten der Uni, der ihr gut gefiel und ihre Phantasie zu zärtlichen Ausflügen in seine Arme anregte, die sie auf ihren Gedankenwiesen ausleben konnte.
    Paul Ganthner, wissenschaftlicher Assistent und Doktorand bei Professor Weidenfels, war – abgesehen von seiner offensichtlichen Schüchternheit – sehr attraktiv, mit schmalem Kopf, schwarz gelockten Haaren, dunklen Augen unter dichten Brauen, modischer Brille und trotz Rasur blauschwarzer Bartfläche, die sich gegen Nachmittag mit deutlichem Kontrast von seiner Gesichtsfarbe abhob. Ob er auch die ganze Brust voller Haare hat?, ging ihr unwillkürlich durch den Kopf. Wenn er lachte, leuchteten seine weißen Zähne, und kleine Vertiefungen gruben sich in die Wangen. Vor allem seine warme Stimme hatte es ihr angetan und sie sofort für ihn eingenommen. Er war groß, schlank und würde figürlich gut zu ihr passen, da sie ebenfalls eine beachtliche Größe hatte.
    Heute ergab sich ein kurzes Gespräch mit ihm. Als er sie zur Tür begleitete, berührte er kurz ihre Schulter, sie empfand es wie pure Elektrizität. »Welche Gedanken habe ich nur heute?«, schalt sie sich wohlig streckend, lief nackt ins Bad, nahm den diskreten Freudenspender mit und verrichtete ihre Abendtoilette. Ihr war, als hörte sie ein leises Quietschen, wie von Mirka, der Katze des Hauswirts, aber das war unmöglich, wie hätte sie in ihre Wohnung kommen können?
    Sie putzte die Zähne, fuhr mit Zahnseide in die Zwischenräume der Beißer, wie ihr Vater sie nannte, bückte sich über das zu tief angebrachte Waschbecken mit dem Charme der achtziger Jahre, spülte den Mund aus und schnitt dem Spiegel Grimassen. Ihr Repertoire darin war schier unerschöpflich. Das lange, blonde Haar ließ sie langsam durch die Nadeln ihrer Bürste fließen. Dann schlüpfte sie in den rosafarben gepunkteten Pyjama, den Rick ihr an Weihnachten geschenkt hatte, legte James Blunt auf, stellte These are the words laut und fiel in den Songtext ein. Sie fühlte sich zufrieden, ausgeglichen und glücklich mit ihrem derzeitigen Leben, vor allem mit der Wohnung, die sie zum ersten Mal für sich allein hatte, und die es ihr erlaubte, das zu tun, was sie mochte – etwa zu dieser Zeit Musik zu hören und die Lautstärke zu wählen, die sie bevorzugte, ohne auf ihre Eltern oder Rick Rücksicht nehmen zu müssen, der Blunt überhaupt nicht mochte und total auf Mariah Carey und Madonna stand, die ihr weniger zusagten. Seit sie in dieser Wohnung lebte, war sie regelrecht häuslich geworden, .häuslich’, der Begriff ließ sie schmunzeln, denn er passte eigentlich gar nicht zu ihr, aber in der Tat ging sie selten aus und genoss die Gemütlichkeit der eigenen vier Wände.
    »Du bist die reinste Partymaus, du wirst schon sehen, wohin du damit kommst«, lag Mutter ihr früher ständig in den Ohren, wenn sie sich aufbrezelte und recht spät noch zum Discovergnügen aufbrach. Damals hatte sie die ständigen Vorhaltungen zu Hause leid und sehnte sich nach der selbstständigen Unabhängigkeit ihrer auswärtigen Kommilitonen, aber ein Studium außerhalb Ulms
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher