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Mattuschkes Versuchung

Mattuschkes Versuchung

Titel: Mattuschkes Versuchung
Autoren: Rolf Ersfeld
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wollten ihre Eltern nicht finanzieren, vor allem nicht nach der überraschenden Trennung im vergangenen Jahr.
    Ihr Vater, ein weicher, gefühlvoller Mann mit leider sehr schwachen Grundsätzen, unterhielt seit langem ein Verhältnis mit seiner Sekretärin, die ihm nach vergeblichen Beteuerungen, seiner Frau endlich reinen Wein einzuschenken, die Pistole auf die Brust gesetzt und die Geschäftsleitung über die frohe Botschaft ihrer baldigen Heirat informiert hatte. Verbunden mit der Bitte, sie vorsorglich in ein anderes Ressort zu versetzen. So kam die Sache ins Rollen. Ihre Mutter war außer sich, suchte aber Gründe nicht in ihrer Lieblosigkeit, sondern in der viel zu guten Behandlung, der zu großen Toleranz – was in diesem Falle Desinteresse oder Gleichgültigkeit bedeutete – und in ihrer gutmütigen Seele. »Wenn es dem Esel zu gut geht, dann … «, womit sie auch gleich Wertschätzung und zoologische Einordnung ihres Gatten zum Ausdruck brachte. In all den Jahren ihrer Ehe machte sie sich nie Gedanken, woher und mit welchem Einsatz das Geld kam, es war einfach da und reichte, ohne dass sie neben ihren hausfraulichen Arbeiten und der Betreuung zweier Kinder, Louise und Peer, einen zusätzlichen Teilzeitjob ausüben musste. Das änderte sich auch nicht, als die Kinder ihrer Betreuung nicht mehr bedurften und mittags in der Mensa aßen, ebenso wie Vater Claude Leblanc in der Betriebskantine.
    Nun hieß es, seit Jahren aus dem Berufsleben ausgeschieden, wieder einen Einstieg zu finden und das, nachdem sie gerade die für den Arbeitsmarkt kritische Grenze von Fünfzig erreicht hatte. Als medizinisch-technische Assistentin konnte sie keine Anstellung mehr finden. Seit der letzten Tätigkeit vor 24 Jahren hatte sich alles geradezu revolutioniert. So ergriff sie die erste offerierte Chance bei einem mobilen Seniorenpflegeunternehmen, um die nach dem Auszug ihres Mannes bescheiden gewordene Haushaltskasse aufzubessern. Auch Louise spürte die finanziellen Einschnitte, die die Vorhaltungen ihrer frustrierten Mutter merklich bestimmten, am eigenen Leibe. »War der Einkauf wirklich nötig, ich könnte mir das nicht mehr leisten, muss denn dieser Luxus sein?«, diese Bemerkungen wurden zur täglichen Begleitmusik neben immer abfälligeren über ihren Mann, Klagen über das verpfuschte Leben und die ausgelassenen großartigen Chancen, die sie sonst heute, weiß Gott wie gut leben ließen. Die Unzufriedenheit machte sie unleidig und ungerecht, was Louise besonders schmerzte, ja sie hatte zunehmend das Gefühl, dass Mutter neidisch auf ihre Jugend, ihr Aussehen und ihre Perspektiven war und ihr darum den unbeschwerten Lebenswandel missgönnte.
    Die häusliche Atmosphäre wurde immer angespannter, ein Wort ergab das andere, was zu ständigen Streitereien mit anschließenden Schweigezeiten führte, bei denen keiner nachgeben oder den ersten Schritt zur Versöhnung machen wollte.

In dieser Lebensphase bilateralen kalten Privatkriegs lernte sie Rick kennen, er hieß eigentlich Patrick Messer, sie kannte ihn flüchtig von der Schule her, wo er einige Jahre verbrachte und nach zwei Ehrenrunden in ihrer Klasse landete, die er bald wieder verließ, um sich einen Job zu suchen. Er war drei Jahre älter, hatte vorübergehend Drogenprobleme, einige Aushilfsjobs, bevor er eine Lehre als Mechatroniker in einem renommierten Autohaus absolvierte und jetzt bei einer Reparaturwerkstatt im Gebrauchtwagenverkauf tätig war.
    In der Disco ›Silverspot‹ in der er verkehrte, scharte er einen kleinen Bewundererkreis um sich, denn er trat spendabel auf und bot sich an, Freunde anschließend mit Vorführwagen seines Chefs nach Hause zu chauffieren, womit bei weiblichen Begleiterinnen natürlich das eigene gemeint war. Er sah nicht schlecht aus, sein Gesicht hatte harte, markante Züge mit Latino-Einschlag und ähnelte entfernt dem jungen Charles Bronson; groß, breitschultrig, mit flacher Nase, das Haar üppig und pechschwarz, mit buschigen Augenbrauen. Rick gab sich sehr verschlossen.
    Meist redeten seine Bewunderer, vor allem Hano, stets durstiger Krankenpfleger, Gründer einer Jogginggruppe, dem – gerade Mitte zwanzig – fast alle Haare fehlten oder Peter, mit extrem vorstehenden Augen, der bei einer Versicherungsagentur arbeitete und jede sich bietende Gelegenheit nutzte, anderen Policen aufzuschwatzen und von Rick die Adressen neuer Autokunden erhielt, der introvertierte Poet Eric, Germanistikstudent, immer im selben verwaschenen
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