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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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vier Soldaten, vier Korporalen, vier Unteroffizieren. Sie stehen zehn Meter von ihr entfernt ... Mata Hari lächelt noch der knienden Schwester Léonide zu und winkt zum Abschied.
    Der das Kommando führende Offizier hebt den Degen, die Schüsse krachen laut, es folgt leiser der vorgeschriebene Gnadenschuß, und die tote Tänzerin bricht mit dem Kopf vornüber zusammen, eine schlaffe blutüberströmte Masse.
    Mit klingendem Spiel defilieren die Truppen vor der Leiche; nur ein kleiner Soldat, der während der Hinrichtung gerade vor mir stand, kann nicht mittun. Ich mußte ihn ohnmächtig auf den Rasen legen.
    Ein Munitionswagen fährt heran; zwei Trainsoldaten heben eine aus Fichtenstämmen roh gezimmerte Bahre herunter, worauf sie den bereits erkalteten Körper legen. Nach einer Scheinbestattung wird er der Anatomie überwiesen.
Mata Haris letzte Worte
    Hiermit veröffentliche ich einen bisher unbekannten Bericht über Mata Haris Tod. Auch er stammt von einem Augenzeugen, nämlich von dem Oberleutnant aus dem 26. Jägerbataillon, der das Hinrichtungspeloton kommandierte.
    – Ich tat Tagesdienst beim Zuavenbataillon im Fort Rosny-sous-Bois, Sonntag den 14. Oktober, als mich der Platzkommandant von Vincennes telephonisch anrief, um mich zu benachrichtigen, ich möchte mich bereithalten, Montag den 15. Oktober frühmorgens ein Exekutionspeloton zu kommandieren. Er schärfte mir ein, ich hätte absolut sichere, vertrauenswürdige Leute zu wählen in Anbetracht ganz besonderer Umstände. Nähere Erklärungen gab er mir nicht, aber ich begriff sofort, daß es sich um Mata Hari handelte. Eine gewisse Unruhe beschlich mich, denn bei einer Frau konnte man allerhand erwarten, Tränen, Schreie, Widerstand, vielleicht sogar einen Nervenschock. Ich sammelte zwölf Zuavenunteroffiziere, die sämtlich an der Front gekämpft hatten. Nur vier davon durften die Abzeichen ihres Ranges tragen, die zweiten vier durften sich Korporalslitzen an den Mantel heften, die letzten vier mußten die Litzen abtun. So verlangte es die Vorschrift, wonach das Peloton sich zusammensetzen muß aus vier Unteroffizieren, vier Korporalen, vier Gemeinen.
    Das Spalier setzte sich zusammen aus Dragonern, Artillerie von Vincennes und einem Linienregiment der Pariser Garnison.
    Meine Befürchtungen vom Tage vorher zerstreuten sich, als ich Mata Hari erscheinen sah. Ihr Auftreten zwischen den beiden sie begleitenden Nonnen war von unglaublichem Stolz und, fast möchte ich sagen, ein wenig theatralisch. Sie umarmte ihren Verteidiger und schickte, während sie das Truppenkarree durchschritt, viele Abschiedskußhände nach der Richtung, wo zahlreiche offizielle Persönlichkeiten standen.
    Sie ließ sich übrigens ziemlich oberflächlich an den Pflock binden von den Gendarmen, denen dieses Geschäft oblag. Als aber ein kleiner Jäger zu Fuß sich ihr näherte, um ihr die Augen zu verbinden, wies sie das mit Heftigkeit zurück.
    Im Augenblick, wo ich meinen Degen hob, um Feuer zu kommandieren, sah sie mir fest ins Auge und sagte: – Ich danke Ihnen, mein Herr. –
    Elf Kugeln hatten getroffen. Der Dragonerunteroffizier, an den der Befehl ergangen war, die zwölfte Kugel zu feuern, den Gnadenstoß zu versetzen, konnte seinen Flintenlauf nur gegen die Schläfe einer Toten richten.
     
    ebook Erstellung - November 2009 - TUX
     
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    Ende
     
     
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