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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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und Metaphysik, die Erfahrungen des niedrigsten Okkultismus und die erhabensten Lehren der Vedas miteinander. Ein Parfüm, auf eine bestimmte Art bereitet, eine Farbe mit einer anderen an bestimmten Tagen zusammengestellt, ein Zauberwort mit einem besonderen Akzent gesprochen, eine kabbalistische Zahl, ein Amulett, kurz irgendeine Oberflächlichkeit genügte, sie in den unerhörtesten Überschwang zu versetzen. Ich erinnere mich eines Nachmittags, wo sie mit sehr traurigem Lächeln zu mir sagte, als Dank für alle meine Aufmerksamkeiten hätte sie sich vorgenommen, mir die drei Zauberrezepte zu geben, die mich am meisten interessieren könnten. Ich fragte sie lachend: »Welche wären das?« – »Das erste und hauptsächlichste verleiht die Kraft, sich von dem geliebten Wesen, sei es wer es wolle, lieben zu lassen ... Das zweite, praktischere ist die Kunst alles in Gold zu verwandeln ... Das dritte ist das Universalmittel für eine dauernde Gesundheit.« Mit weit geöffneten Augen, den Blick fest auf mich geheftet, jedoch ohne daß ich das Gefühl hatte, sie sähe mich wirklich an, schwieg sie lange, nachdem sie diese Worte gesprochen hatte. Und, wollen Sie es glauben oder nicht, ich war halluziniert, und mich beschlich die Empfindung, ich befände mich bei einer Hexe, vor einem übernatürlichen Wesen, das tatsächlich über die Kräfte des Mysteriums verfügen konnte. »Sie sehen – fügte sie plötzlich hinzu mit einem Ruck des Kopfes, zweifellos um irgendeine häßliche Ahnung loszuwerden – dank meinen drei Rezepten sind mir die drei Dinge zuteil geworden, und das wird auch Ihnen geschehen, denn Sie sind gut zu mir gewesen.« Und nachdem sie einen rauhen Seufzer ausgestoßen, blieb sie so verdüstert und in Gedanken versunken, daß sie nicht einmal mein Weggehen aus der Zelle bemerkte. Zu anderen Malen war ihre Freude kindlich, naiv, mit einem ganz leichten Stich ins Hergebrachte oder gar ins Gewöhnliche; wenn man dann sah, wie sie schallend lachte und sich derb auf die Schenkel schlug, lag der Vergleich mit einer saftigen holländischen Dirne nicht fern. Aber im Grunde genommen war ihr Charakter vielmehr ernst, besorgt, zurückhaltend, mißtrauisch, hitzig und widerspruchsvoll. Es gab Tage, wo in weniger als einer halben Stunde alle menschlichen Gefühle wie Unwetter und Sonnenschein durch ihre Augen jagten. Man begriff bei vorurteilsloser Betrachtung nur zu gut die absolute Macht ihres geschmeidigen, betörenden Wesens über ihre Geliebten.
    Jetzt reizte es mich noch weiter in die Geheimnisse um das Bild der Tänzerin zu dringen und ich fragte meinen guten Freund Dr. Bralez, ob Mata Hari tatsächlich eine der schönsten Frauen ihrer Zeit gewesen wäre. Wer bei Dr. Bizard oder im Arbeitszimmer Louis Dumurs ihre entzückenden Photographien gesehen hat, als Nackttänzerin in den verschiedensten Stellungen, das Bild einer exotischen Venus, würdig von Baudelaire als Inkarnation aller Sünden besungen zu werden, wird mir ohne Zweifel sagen, ihre Schönheit wäre unbestreitbar gewesen. Aber dem ist keineswegs so. Einige ihrer Freunde liefern uns den Beweis dafür. Sie schildern sie mit wenig schmeichelhaften Farben und versichern, ihr Ruf in diesem Punkte wie in vielen andern wäre überschätzt und in der Hauptsache nichts anderes als der Triumph des Snobismus und der Reklame. »Was reizte,« sagen diese Freunde, »war das Seltene und Teure an ihr ...«
    – Die Wahrheit – murmelte Dr. Bralez nach meinem persönlichen Geschmack, ist, daß Mata Hari im wahrsten Sinne des Wortes das war, was man im allgemeinen als eine sehr schöne Frau bezeichnet. Durch ihre raffiniert geschmackvollen Dekolletes, ihre fremdartige Eleganz mußte sie notwendigerweise den tiefsten Eindruck machen in den europäischen Salons, wo die Weltdamen in Entzücken gerieten, wenn sie das aufreizende Parfüm, das von ihrem Körper ausging, einatmeten. Aber wirklich hübsch, das war sie nicht. Ihre Züge entbehrten der Feinheit. Ihren Lippen, ihren Kinnbacken, ihren Wangen haftete etwas tierisches an. Ihre braune Haut schien immer ölgetränkt oder schweißbedeckt. Ihre kleinen Brüste, die sie dem Publikum unter zwei Filigrankuppeln verbarg, waren schlaff, welk, runzelig. Nur ihre Arme und Augen waren von absoluter Schönheit. Ihre Arme hat man die schönsten der Welt genannt und damit nicht übertrieben. Und ihre Augen, magnetisch und rätselhaft, schillernd und sammetweich, gebieterisch und flehend, melancholisch und kindlich, ihre
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