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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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bin angekleidet.« Ich öffnete. Vier oder fünf Personen, darunter mein Chef, Dr. Bizard, betraten die Zelle. Feierlich fragte der Vertreter des Kriegsgerichts die Verurteilte: »Haben Sie noch eine Erklärung zu machen?« Kalt antwortete sie: »Keine ... Ich habe es bereits gesagt, ich bin unschuldig ... Und selbst, wenn ich noch etwas hinzuzufügen hätte, ich würde es jetzt nicht mehr sagen.« Darauf der Richter: »Haben Sie noch einen Wunsch?« ... »Ja, ich möchte Rittmeister Marow sehen, aber da er in Rußland ist, muß ich mich damit begnügen, ihm zu schreiben, wenn Sie das gestatten.« Dann setzte sie ihren Hut auf und trat heraus auf den Gang: »Wenn es beliebt, meine Herren.« Als man die Direktionskanzlei des Gefängnisses betrat, wo Massard und andere Offiziere zurückgeblieben waren, bat Mata um eine Feder und schrieb drei Briefe: einen an ihre Tochter, den zweiten an einen hohen französischen Beamten, den dritten an den Rittmeister Marow. Als sie die Briefe ihrem Verteidiger übergab, empfahl sie ihm mit leichtem Spott, sie nicht zu verwechseln, ihrer Tochter nicht etwa den an ihren Geliebten gerichteten zu schicken. Festen Schrittes ging sie zum Tor, wo ein Auto sie erwartete. Ich setzte mich mit Dr. Bizard und einem Beamten in einen Mietwagen. Mit ihr stiegen Clunet, die Nonne und ein Bataillonschef ein. Unser Fuhrwerk, langsamer im Tempo, erreichte Vincennes erst, als der Spruch vor der Verurteilten bereits verlesen worden war. Außerdem war der vom Hauptmann Bouchardon erlassene Befehl äußerst streng. Weder der Verteidiger, noch der Pastor, noch die Ärzte, niemand durfte ohne daß der Ruf an ihn erging, in die unmittelbare Nähe des Richtplatzes. So sah ich also nur aus etwa hundert Schritt Entfernung hinter den Dragonertruppen, die das Viereck bildeten, wie diese Frau aufrecht und stolz zum Pflock schritt und sich daran festbinden ließ; ich sah, wie sie die Binde für die Augen abwehrte, sah schließlich, wie sie mit dem Taschentuch zum Abschied winkte und glaubte gern, diese letzte Geste richtete sich an mich. Ich zitterte am ganzen Leibe. Ist das verwunderlich, wo selbst die Gendarmen, die ihr Auto bewacht hatten, alte, bewährte Veteranen, an Zeremonien solcher Art gewöhnt, ihr Erschauern nicht verbergen konnten? Nur Hauptmann Bouchardon lächelte mephistophelisch, befriedigt, trommelte mit den Händen auf dem Rücken und murmelte Worte, die niemand verstand. Die anderen entfernten sich stumm, mit automatischen Schritten von dem unheilvollen Ort. Die arme Nonne war ein Bild des Jammers. Clunet, der berühmte Mann, sah zum Erbarmen aus. Ich selbst mit meinem erdfahlen Gesicht dürfte wohl gar lächerlich erschienen sein ... Auf der Rückfahrt äußerte Dr. Bizard kein Wort; aber als wir uns seinem Hause näherten, sprach er erschüttert die berühmten Verse Baudelaires:
    Mir dünkt, daß wir ihr ein paar Blumen schulden.
Die armen Toten haben viel zu dulden.
Und wenn Oktober, der die Bäume schüttelt,
An ihren Gräbersteinen traurig rüttelt,
So müssen sie uns oben herzlos finden,
Die wir uns weich in unsere Decken winden.
Sie aber sind verzehrt von grausen Schaudern.
Sind ohne Bettgenoss und ohne Plaudern,
Und ihr Gebein, woran die Würmer klopfen,
Verspürt der winterlichen Wasser Tropfen ...
     
     
    – So – nun ist auch das zu Ende – schloß Dr. Bralez mit einem schüchternen Versuch zu lächeln ...
    Aber mir entging nicht das dumpfe Zittern seiner Stimme und seiner Augen tiefe Traurigkeit.
     

Erinnerungen derer, die sie kannten
     
    Paul Olivier und die Bajadere
    Paul Olivier, der hervorragende Publizist und Journalist, schickte mir folgende Notizen über Mata Hari. Für eine Wiederherstellung ihrer Psychologie enthalten sie sehr viele interessante Einzelheiten:
    Nachdem ich sie im Jahre 1912 kennengelernt hatte, blieb ich mit Mata in Verbindung. Sie lud mich zu einem Besuch bei sich ein. Sie besaß bekanntlich eine prachtvolle Villa in Neuilly. Obgleich ich sehr gern mit ihr plauderte, konnte ich von der Einladung doch nur zwei- oder dreimal Gebrauch machen, weil ich in anderer Weise zu sehr in Anspruch genommen war. Dagegen besuchte sie mich häufig in meinem Pariser Bureau, mindestens einmal die Woche. Im Spätfrühling 1913 hörten diese Besuche aber auf; sie hatte eingesehen, daß ich ihre hochgradige Neugierde in bezug auf politische Affären, Kulissengeheimnisse der Presse und Tagesereignisse nur schlecht befriedigte. Außerordentlich schien sie sich dafür zu
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