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Der Hammer der Götter

Der Hammer der Götter

Titel: Der Hammer der Götter
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schon der erste Blitz hatte den Mast des Führungsschiffes getroffen und wie der Axthieb eines zornigen Gottes der Länge nach gespalten, und praktisch im gleichen Atemzug war das Segel mit einem einzigen, dumpfen Schlag in Flammen aufgegangen, der noch auf dem letzten Schiff der weit auseinandergezogenen Flotte mit beinahe ohrenbetäubender Lautstärke zu hören gewesen war. Und noch einen weiteren halben Atemzug darauf hatte sich die gesamte Drakkar in einen schwimmenden Scheiterhaufen verwandelt; ein feuriges Grab für mehr als achtzig gute Männer, deren verzweifelte Schreie selbst jetzt noch in seinen Ohren zu gellen schienen, obwohl das Schiff längst in Stücke zerbrochen und gesunken war.
    Danach war es wirklich schlimm geworden.
    Zuerst war der Himmel erloschen, dann der Tag, und mittlerweile kam das einzige Licht von den unablässig zuckenden Blitzen, die die schwarze Unendlichkeit über ihren Köpfen in Stücke schnitt. Ein flackerndes Höllenlicht, das alle Farben auslöschte und die Bewegungen der Männer rings um ihn herum in eine rasend schnelle Abfolge grotesk erstarrter einzelner Bilder verwandelte, als hätte der Sturm sie über den Rand der Welt und in einen Abgrund geschleudert, in dem menschliche Begriffe von Zeit und Logik keine Macht mehr besaßen.
    Aber auch in den unendlich kurzen Momenten dazwischen wurde es nicht gänzlich dunkel, denn dann kroch der flackernde rote Schein brennender Schiffe und lodernder Männer über das Meer heran.
    Thor wusste längst nicht mehr, wie viele es waren; drei, fünf - vielleicht alle. Vielleicht war das Naglfar das einzige Schiff, das noch nicht brannte, weil die Götter ihm die Gnade eines frühen Todes verweigerten, denn er sollte mit eigenen Augen sehen, was er getan hatte. Er wusste auch nicht mehr, wo sie waren, oder wie lang dieser entsetzliche Sturm nun schon tobte, den die Götter geschickt hatten, um sie alle für ihren Stolz und ihn für seinen Hochmut zu bestrafen. Er wusste nur, dass sie alle sterben würden: Er, Torben und Leif, Gunnar und Erik und alle anderen, die von den eisigen Gestaden Asgards aufgebrochen waren, und deren einziges Verbrechen in der Hoffnung auf eine Zukunft für sich und ein besseres Leben für ihre Familien und Kinder bestanden hatte.
    »Thor! Steh da nicht rum und versuch d en Sturm niederzu starren! Das wird dir ni cht gelingen! Hilf mir lieber! «
    Thor verstand kaum die Hälfte der Worte wirklich, denn wenn es etwas gab, das noch schlimmer war als das tanzende Lichtgewitter und die tobende See, dann war es der Lärm, das Kreischen tausend entfesselter Dämonen, zu dem sich das Heulen der Sturmböen und das Brüllen der Wogen und der unablässig rollende Donner vereinten, aber er kannte den alten Kapitän gut genug, um den Rest zu erahnen. Er war auch nicht im Mindesten überrascht, als er sich umdrehte und Torben bei etwas erblickte, was jedem anderen vollkommen widersinnig erschienen wäre: Torben hatte beide Füße gegen die nassen Planken gestemmt und versuchte mit verzweifelter Kraft das Ende eines zerrissenen Taus festzuhalten, das irgendwo über ihm in einem tobenden Chaos aus grellem Licht und um so schwärzeren Wolken und zerfetztem Siegelzeug und reiner wütender Bewegung verschwand ... als bilde er sich ein, das Schiff auf diese Weise und ganz allein retten zu können, indem er es am Himmel festband!
    Wasser klatschte ihm wie eine nasse und sehr kalte Hand ins Gesicht, und der Schock riss ihn nicht nur in die Wirklichkeit zurück, sondern machte ihm auch klar, dass Torben nicht nur wieder einmal dabei war, sich vor der gesamten Mannschaft zum Narren zu machen, sondern auch auf ganz besonders eigene Art und Weise Selbstmord zu begehen. Torben war stark, nach ihm selbst vielleicht der stärkste Mann, den er kannte, aber der Sturm zerrte mit der Kraft von tausend Männern an den zerrissenen Segeln, und wenn dieser Narr das Tau nicht bald losließ und versuchte, lieber sich selbst statt des Schiffes festzuhalten, dann mochte es sein, dass er sich gleich kopfüber im und kurz darauf unter Wasser wiederfand.
    Aber vermutlich wartete dieses Schicksal ohnehin auf sie alle. Die enorme Größe des Naglfar , das doppelt so breit und nahezu dreimal so lang wie die anderen Schiffe der Flotte war, hatte sie bisher davor bewahrt, ebenso zum Spielball der entfesselten Naturgewalten zu werden wie der Rest ihrer kleinen Flotte, aber Thor ahnte, dass das nur noch wenige Augenblicke so bleiben würde. Wenn sich der Sturm erst
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