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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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vor mit den Worten:
    – Ich möchte Modell stehen.
    – Gut, antwortete ich, zeigen Sie mir Ihren Körper.
    – O nein, nur für den Kopf. Ich bin die Witwe eines in Indien gestorbenen Hauptmanns; ich habe zwei Söhne und besitze nicht die Mittel, sie zu erziehen. Ich heiße Frau Mac Leod.
    – Da Sie hübsch sind, wird es Ihnen nicht schwer fallen, auch als Kopfmodell Beschäftigung zu finden; aber man würde Sie natürlich viel besser bezahlen, wenn Sie sich zum Aktstehen entschließen könnten, denn, soviel ich sehe, müssen Sie sehr gut gebaut sein. Doch ich will nicht in Sie dringen.
    Darauf fing Frau Mac Leod an zu klagen, das wäre ein zu großes Opfer für sie und eine zu schreckliche Zumutung für ihr Schamgefühl, es wäre eine Beleidigung für den klingenden Namen, den sie trug usw. Als ich darauf erwiderte, sie möge das halten wie sie wollte, entkleidete sie sich plötzlich schleunigst.
    Und nun sah ich im reinen Atelierlicht ihre schönen Schultern, ihre schönen Arme, ihre über alle Maßen schönen Beine. Aber, um Gottes willen, was für eine welke Brust! ... Ihre Hüften waren breit wie die eines Pferdes, ihr Leib reichlich unkeusch, aber das Schlimmste blieb doch diese schlaffe Brust ... (Das hat mir erklärt, warum sie dann immer zwei Metallschalen an einer Kette um den Hals trug.)
    Höflich, allerdings ohne meine Enttäuschung völlig verbergen zu können, riet ich ihr, es wäre für sie tatsächlich vorteilhafter, wenn sie sich nur als Kopfmodell vermietete. Diese Worte riefen einen Nervenanfall hervor. Ihr Schamgefühl derart bloßgestellt zu haben, war für sie ein unerträglicher Gedanke. Meine Frau eilte ihr zu Hilfe, rieb ihr die Schläfe mit Kölnisch Wasser ein und hielt ihr ein Riechfläschchen unter die Nase. Ich nahm sie als Modell für ein Plakat zu ›Messalina‹. Dann schickte ich sie meinem Freunde, dem Maler Assire, der lange Zeit mit ihr Gesicht- und Kostümstudien arbeitete. Sie erzählte ihm ganz merkwürdige Dinge, die er Ihnen gern mitteilen wird; ich vermag nichts weiter über sie zu sagen.«
Dr. Bizard's Bericht über die Exekution Mata Haris
    Der ergreifende Bericht des Dr. Bizard (er war der Kollege von Dr. Bralez im Gefängnis von Saint-Lazare) über die Hinrichtung Mata Haris hat folgenden Schluß:
    – Der inzwischen verstorbene Direktor Estach flüstert mir zu: »Man ergreift die letzten Maßnahmen ...«
    Alle Anwesenden sprechen leise und sind bleich.
    Plötzlich fährt eine kräftige Stimme dazwischen. Ein Hauptmann sagt: Es ist Zeit, meine Herren, wir müssen hinaufgehen.
    Hastig drängt die Menge hinter ihm her und ballt sich zu beiden Seiten des Tores, um den Zugang zum Inneren des Gefängnisses frei zu lassen.
    Eine äußerst vornehme Erscheinung, der Oberst der Garde, Semprou, der mit unantastbarer Sachlichkeit und Ansehen die Verhandlungen vor dem Kriegsgericht geführt hat, befiehlt, als er dieses Andrangs gewahr wird, kurz und streng, daß nur die wenigen bevollmächtigten Personen zur Gefängniszelle hinaufsteigen dürfen; alle anderen werden unten warten, er selbst gebe das Beispiel hierfür.
    In diesem Augenblick dringt ein kleiner Greis, kein anderer als Clunet, bis zum Hauptmann vor und interpelliert ihn mit zitternder Stimme: – Entschuldigen Sie, Hauptmann, ich fühle nicht den Mut, hinaufzugehen; aber bitte sagen Sie ihr, ich sei in der Nähe; sie könne versichert sein, ich werde sie bis zum Ende nicht aufgeben. –
    – Ich bin nicht Ihr Vermittler, Herr Rechtsanwalt, antwortet hart der Offizier; was Sie dieser Frau zu sagen haben, das müssen Sie selbst tun. – Darauf folgt der Advokat mit schlotternden Beinen dem kleinen Zuge.
    Man kommt zunächst in die Kanzlei des ersten Stocks; sie hat den Beinamen »die Brücke von Avignon«; hier muß jeder vorüber, der die weitverzweigten Räume von Saint-Lazare betreten will.
    Dann muß man über einen langen Korridor gehen; eine offene Gasflamme verbreitet schwaches Licht; um jedes Geräusch, das der Verurteilten Verdacht einflößen könnte, zu ersticken, haben die guten Schwestern Teppiche und Matten unter unseren Füßen ausgebreitet.
    Schwester Léonide öffnet die Zelle; der Offizier fragt beim Anblick der drei Frauen in ihren Betten: – Welche? – Die in der Mitte, antwortet die Nonne.
    Mata Hari, die auf meine Veranlassung am Abend vorher die doppelte Dosis Chloral genommen hatte, schläft fest; die beiden Mitinhaftierten haben begriffen und springen schluchzend aus ihrem Bett.
    Die
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