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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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man ihr noch eine andere letzte Frage stellt, nämlich, ob sie Ursache hätte, sich schwanger zu glauben. – »Oh, durchaus nicht,« antwortet sie fast lächelnd. »Ich bedaure.« – Im
Code penal
, Buch I, Kapitel I, Artikel 27, liest man: »Wenn eine zum Tode verurteilte Frau erklärt und es sich als wahr erweist, daß sie schwanger ist, darf sie der Strafe erst nach ihrer Entbindung verfallen.« Irgendwo wird übrigens berichtet, Matas Advokat habe auf dem Richtplatz im letzten Augenblick diesen Artikel angerufen. In dieser Form ist die Episode reine Erfindung.
    Darauf tritt sie hinaus auf den langen Korridor und scheint den kleinen Zug, der sie umgibt und ihr folgt, zu führen.
    Da glaubt der Oberwärter plötzlich sich auf sie stürzen zu müssen. Schon will er sie am Arm packen. Aber mit einem Ruck stößt sie ihn zurück und fährt ihn barsch an: – Lassen Sie mich los, rühren Sie mich nicht an, ich dulde es nicht; beachten Sie wohl, ich bin keine Diebin; ... was fällt Ihnen ein! ... – Auf der Stelle gehorcht der Oberwärter. – Meine liebe Mutter, bitte, reichen Sie mir Ihren Arm und verlassen Sie mich nicht. –
    – Ich reichte ihr meinen Arm und hielt ihre Hand krampfhaft fest. Ich umklammerte sie mit aller Kraft, weil ich Angst hatte, sie könnte im letzten Augenblick noch irgendeine Dummheit begehen. So erzählte mir später Schwester Léonide.
    Wir steigen die Treppe herab und sehen die Eingangstür halb geöffnet. Dort stehen für gewöhnlich ein paar friedliche Wächter. Jetzt gewahrt man draußen die Menge. Die Tänzerin lächelt: – Nein, so viele Leute! Was für ein Erfolg! – Gelassen durchquert sie den Gang und betritt die Kanzlei, wo die letzte Eintragung, das Ende ihrer Haft bezeichnend, vorgenommen wird. Zelle, Margarethe Gertrud, genannt Mata Hari, wird in die Hände der Militärgewalt zurückgegeben, um in Vincennes mit dem Tode bestraft zu werden. Die Strafe lautet auf Erschießen.
    Jetzt bittet sie noch ein paar Briefe schreiben zu dürfen. Man gewährt ihr diese Gunst. Mata Hari streift ihren rechten Handschuh ab und schreibt mit ihrer bekannten großen ruhigen Schrift gelassen drei Briefe, setzt die Adressen auf die Umschläge und übergibt sie dem Direktor. Lächelnd fügt sie hinzu: – Geben Sie acht, daß Sie die Adressen nicht verwechseln. Das gäbe eine schöne Geschichte! –
    Während dieser zehn Minuten halte ich mich kaum einen Meter von ihr entfernt und spähe nach irgendeinem Zug von Schwäche, aber ich entdeckte keine Spur davon.
    – Ich bin fertig, sagt sie. Die Gendarmen nehmen die Gefangene in ihre Mitte und bringen sie an den Wagen; außer ihnen steigen noch Schwester Léonide und der Pastor ein.
    Während der Fahrt ist der Pastor so bewegt, daß er kaum sprechen kann.
    Mata Hari nimmt Abschied und wiederholt: – Nun fahre ich also nach dem großen Bahnhof, der keine Rückkehr kennt. Und sie fügt hinzu: – Oh, diese Franzosen! –
    Schwester Léonide ermahnt sie zum Verzicht und zum Verzeihen. – Im Augenblick, wo man vor Gott erscheinen soll – sagt die Nonne – darf man gegen niemand Gefühle des Hasses hegen. – Aber den Franzosen kann ich nicht verzeihen – antwortet Mata. – Doch, meine Tochter, du mußt es. – Wenn Sie es wünschen, gut, ich will verzeihen – antwortet jetzt leise Mata Hari.
    Der Wagen hat Vincennes erreicht. Die Exekution ist auf sechseinviertel Uhr festgesetzt; der Tag beginnt kaum zu dämmern.
    Die Truppen sind in drei Reihen aufgestellt und als der Wagen am äußersten Ende des Karrees, gegenüber dem Pflock, hält, schmettern sie eine Fanfare.
    Dann herrscht eindrucksvolles Schweigen. Mata Hari steigt aus dem Wagen, reicht Schwester Léonide die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein und faßt sie unter den Arm. Von den Gendarmen begleitet, gehen die mit lauter Stimme betende Nonne und die dem Tod Verfallene langsam über den Platz.
    Am Pflock angekommen, macht Mata Hari mit einem Ruck sich von der Schwester frei. – Umarmen Sie mich und lassen Sie mich jetzt allein; treten Sie auf die rechte Seite. Dorthin werde ich schauen. Leben Sie wohl! –
    Während ein Offizier das Urteil verliest, hat die Tänzerin sich selbst an den Pflock gestellt. Als man ihr die Augen verbinden will, weist sie dieses Ansinnen mit Entschiedenheit zurück. Auch gestattet sie nicht, daß man den Strick um ihre Hüfte, der sie am Pflock befestigen soll, zusammenknüpft ...
    Das Exekutionspeloton besteht aus zwölf Jägern zu Fuß. Aus
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