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Mata Hari

Mata Hari

Titel: Mata Hari
Autoren: Enrique Gomez Carrillo
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interessieren, wie der Nachrichtendienst der großen Zeitungen eingerichtet ist. Ich erklärte ihr das, so gut ich konnte. Dann wollte sie von mir genaue Auskünfte haben über den Berliner Korrespondenten einer Pariser Zeitung, aber auch das gelang ihr nur halb, denn ich kannte den betreffenden Journalisten kaum. Sehr gern wäre sie mit einigen meiner Kollegen in Verbindung getreten; aber das journalistische Leben bringt es mit sich, daß wir beständig auf Reisen sind, und so fiel auch dieser Plan ins Wasser. Im Herbst 1913 besuchte sie mich noch ein- oder zweimal. Dann wurde ich krank, reiste nach dem Süden und kehrte erst acht Monate später nach Paris zurück.
    Der Garten ihrer Villa in Neuilly war von hohen Mauern umgeben, die sie vor unberufenen Blicken schützten. So konnte sie, sie hat es selbst gesagt, oft der Laune folgen, hier nachts bei Mondschein ganz nackt zu tanzen. Zu ihrem und ihres intimen Kreises Vergnügen ... Als ich sie kennenlernte, versicherte sie mir, sie läge gerade in Scheidung. Anfang 1913 kam sie eines Tages mit verweintem Gesicht zu mir; ihr Mann hätte sie blutig geschlagen, sagte sie. Ihr Körper zeigte tatsächlich blutunterlaufene Flecke. Sie fragte mich um Rat, wie sie die Scheidungsformalitäten abkürzen könnte. Ich gab ihr ein paar Zeilen für einen mir befreundeten Rechtsanwalt. Sie hat ihn nie aufgesucht. Es handelte sich um eine einfache Komödie, deren Triebfeder ich im Augenblick nicht ausfindig zu machen versuchte; später kam mir der Gedanke, ob sie nicht vielleicht beabsichtigt hatte, mir Mitleid einzuflößen, um mich inniger mit ihrem Leben zu verknüpfen, in der Hoffnung so leichter hinter die Kulissen der Pariser Presse gelangen zu können. Wie dem auch sei, in jedem Fall hatte sie sich schwer verrechnet, denn in den Redaktionsstuben erfährt man keine endgültigen politischen Tatsachen.
    Ihre Verführungskunst, halb zierlichste Feinheit, halb ungestüme Heftigkeit, war einzigartig. Soeben noch ganz große Dame, gefiel sie sich eine Minute später in den derbsten Ausdrücken, und wenn sie dazu noch lachte, glich sie fast einer Straßendirne. Gelegentlich trat eine ganz lyrische Seite zutage. Ich erinnere mich, wie sie Stellen aus den großen indischen Gedichten vortrug ohne Übertreibung, aber mit echtem Schwung, der eine tiefe Liebe für das Schöne verriet. Ab und zu deutete sie dann gleichzeitig einen Tanz an, der mit den gesprochenen Versen harmonierte, und das Ganze wirkte majestätisch, ungezwungen, rhythmisch und graziös.
    Sie hatte die schönsten Arme, die ich jemals in meinem Leben sah.
Die Legende vom verstümmelten Busen
    In den Lebensbeschreibungen Mata Haris findet sich eine Episode, die die Beharrlichkeit erklärt, womit diese Frau, eigentlich immer geneigt, sich zu entkleiden, ebenso sorgsam darauf bedacht war, ihre Brüste mit zwei kleinen Filigranschützern zu bedecken.
    – Mein Gatte, Hauptmann Mac Leod, war so eifersüchtig – sagt sie – daß er mir sehr oft drohte, er wolle mich verunstalten, damit niemand sich in mich verlieben könne. Was seine Raserei in unseren Liebesnächten dem Wahnsinn nahe brachte, war der Gedanke, meine kleinen, straffen Brüste, korinthischen Schalen gleich, könnten von anderen Händen gestreichelt, von anderen Lippen geküßt werden. »Lieber reiße ich sie dir aus« – murmelte er, indem er seine Finger in meine Brust krampfte. Ich mußte dann alle meine Reize spielen lassen, um sein wildes Verlangen zu stillen und ihn sogar vor meinem Leibe auf die Knie zwingen. Eines Abends nach langem Schweigen näherte er sich mir in unserem Bett und küßte innig und anhaltend meine Brüste. Plötzlich, von einer wilden Regung hingerissen, biß er mir die linke Brustwarze ab und verschlang sie. Deshalb habe ich hinfort meinen Körper niemals jemand ganz nackt gezeigt ...
    So berichtet sie. Ganz anders jedoch der berühmte Maler Guillaumet, der mir über seine Bekanntschaft mit Mata Hari einen Brief schrieb. Danach ist diese Geschichte vom verstümmelten Busen nur eine Legende, die eine natürlichere und mit weniger Leidenschaft durchtränkte Tatsache verbergen sollte.
    Mit Erlaubnis des Schreibers veröffentliche ich hier den Brief:
    »Zu einer Zeit, die ich kaum noch genau nennen, die man aber doch ungefähr feststellen könnte, denn sie fiel ziemlich zusammen mit der Premiere der ›Messalina‹ von Moreau und Isidore de Lara in der Gaîté (also etwa in den Jahren 1905–1906), stellte sich in meinem Atelier eine Frau
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