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1363 - Hexen, Witwen und Assunga

1363 - Hexen, Witwen und Assunga

Titel: 1363 - Hexen, Witwen und Assunga
Autoren: Jason Dark
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Es war auf den ersten Blick nicht zu erkennen, ob es sich bei dem Heranschleichenden um einen Mann oder eine Frau handelte. Jedenfalls trug die Person einen langen grauen Mantel.
    Sie bewegte sich nicht schnell, aber zielsicher. Sie würde sich durch nichts von ihrem Weg abbringen lassen.
    »Jetzt ist sie tot«, flüsterte die Frau am Grabrand. Sie drängte sich instinktiv gegen ihren Partner, als befürchtete sie, dass der Sensenmann schon lauerte und sie als Nächste holte.
    Der Mann nickte. »Die guten trifft es immer zuerst. Meine Mutter war wirklich eine besondere Frau. Sie hat alles gegeben und gekämpft, Lilian.«
    »Ja, das hat sie.« Lilian Wayne gab die Antwort mit gepresster Stimme. Auch sie hatte ihre Schwiegermutter gemocht, was nicht unbedingt alltäglich war. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. »Aber das verdammte Schicksal war stärker.«
    »Sei froh, dass sie erlöst ist. Sie selbst hat es so gewollt. Sie musste einfach loslassen. Sie wollte nicht mehr kämpfen.« Fred Wayne hob die Schultern. »Sie wird nicht vergessen werden.«
    »Bestimmt nicht.«
    Der Wind wehte über den Friedhof. Er schien die Seele der Verstorbenen mit sich zu tragen, denn Lilian hatte den Eindruck, als würde die Stimme der Schwiegermutter eine tröstliche Nachricht in ihre Ohren flüstern.
    Für sie und ihren Mann ging das Leben weiter. Das forderte sie.
    Ihr Beruf war hart genug. Fred war Kaufmann, seine Frau genau das Gegenteil. Das harte Geschäft war nicht ihr Fall. Sie gehörte zu den Menschen, die hinter die Dinge schauen wollten, um herauszufinden, ob bestimmte Vorgänge auch so geschehen waren, wie man sie beschrieb. Historiker und Esoteriker suchten einen gemeinsamen Weg, auf dem sie sich treffen konnten.
    Lilian Wayne gehörte mehr zu den Esoterikern. Sie beschäftigte sich mit der Rolle der Frau in der Vergangenheit. Sie wollte erfahren, ob diese Frauen, denen man gewisse Kräfte nachsagte, tatsächlich welche besaßen.
    Den Begriff Hexen vermied sie, wann immer es ging. Sie sprach dann mehr über die weisen Frauen, die das Wissen der Alten übernommen hatten. Genau das interessierte sie.
    Als sie jetzt vor dem Grab stand und einen langen traurigem Blick aus verweinten Augen auf den Sarg warf, da bewegten sich ihre Gedanken in eine andere Richtung. Sie hatte davon gehört, dass es möglich war, mit Toten Kontakt aufzunehmen, und die Idee, dies bei ihrer Schwiegermutter zu versuchen, wollte ihr nicht aus dem Kopf.
    Mit ihrem Mann hatte sie darüber nicht gesprochen, aber sie hatte bereits nachgeforscht und…
    Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Es klang leise auf, hörte sich in der Stille des Friedhofs aber lauter an. Ein zischender Atemzug, ein dumpfer Schlag, dem ein Stöhnen folgte, das nicht von ihr stammte.
    Sie drehte sich ihrem Mann zu.
    Das Entsetzen sprang sie an wie eine Flamme. Fred stand noch neben ihr. Nur hatte sich seine Haltung versteift und war völlig unnatürlich geworden.
    Dafür gab es einen Grund.
    In seinem Rücken, genau zwischen den Schulterblättern, steckte ein Messer…
    ***
    In diesen schrecklichen und auch so unglaublichen Momenten schien die Zeit still zu stehen.
    Plötzlich hatte der Tod ein Gesicht bekommen, und es war das Gesicht ihres Mannes. Es hatte sich in eine starre Fratze verwandelt und veränderte sich auch in den nächsten Momenten nicht, denn es schien an jeder Stelle eingefroren zu sein.
    Hammerschläge tobten durch Lilians Brust. Es war ihr eigenes Herz, das sich auf diese Art und Weise meldete. In ihrem Inneren stieg die Hitze hoch, und doch war ihr Gesicht kalkbleich geworden und nicht gerötet. Sie wollte an einen Traum glauben, der sich zeigte, obwohl sie nicht eingeschlafen war. Zu irreal und überzogen schien ihr alles zu sein, und über den gesamten Friedhof hatte sich eine Glocke des Schweigens gelegt.
    Bis Fred aufstöhnte!
    Da wusste sie, dass es kein Traum war, sondern die verfluchte Wirklichkeit.
    Und sie sah noch mehr.
    Durch die Gestalt ihres Mannes lief ein Zittern. Er würde sich nicht mehr lange auf den Beinen halten können. Sein Körper fiel sehr langsam, wie magnetisch durch das Grab angezogen. Das aus seiner Kehle dringende Röcheln hörte sich so schrecklich an, aber sie wollte nicht, dass ihr Mann auf dem Sarg seiner Mutter kippte.
    Sie reagierte, ohne es genau nachvollziehen zu können. In diesen Sekunden wuchs sie über sich selbst hinaus.
    Fred fiel nach vorn.
    Blitzschnell griff Lilian zu.
    Bevor er in das Grab stürzen
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