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Marcos Verlangen

Marcos Verlangen

Titel: Marcos Verlangen
Autoren: Laura Gambrinus
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richtig mit der Arbeit begonnen, als ein Geräusch hinter ihr sie zusammenzucken ließ. Die Tür zu ihrem Arbeitsraum öffnete sich und eine Frau trat ein. Ella hatte sie noch nie in ihrem Leben gesehen und starrte sie überrascht an.
    „Was machen Sie hier?“, fragte die Fremde offenkundig erstaunt in einem Tonfall, der verblüffend selbstsicher klang.
    „Dasselbe könnte ich Sie fragen!“, versetzte Ella irritiert. Etwas am Verhalten dieser aus dem Nichts aufgetauchten Unbekannten versetzte sie in Unruhe. Dann erst registrierte sie mit einem Adrenalinschub eine mehr als befremdliche Tatsache: diese Frau, die ihr da selbstsicher und mit herausforderndem Blick gegenüber stand, trug nur einen Morgenmantel! Und zwar genau denjenigen, den Ella an ihrem ersten gemeinsamen Badenachmittag und seither noch sehr oft in den intimen Stunden mit Marco getragen hatte.
    „Ach, jetzt verstehe ich!“ Die Fremde klatschte nach einem prüfenden Blick über den Tisch in die Hände und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Sie sind Marcos neue Kuratorin, nicht wahr? Er hat mir so viel von Ihnen erzählt, dass ich schon fast meine, Sie persönlich zu kennen.“ Nun schwebte sie regelrecht durch den Raum auf Ella zu. „Verzeihung, vor lauter Überraschung vergesse ich meinen Anstand – ich bin Patrizia, Marcos Frau!“
    Sie streckte ihr lebhaft die rechte Hand entgegen und Ella reagierte ganz automatisch und erwiderte den Händedruck.
    „Freut mich – Ella“, brachte sie hölzern heraus und wunderte sich einen Moment lang, dass ihre Stimme tatsächlich funktionierte. Marcos Frau? Die, die im Ausland war und nicht mehr zurückkommen wollte?
    „Wie schön, Sie endlich persönlich kennen zu lernen“, plauderte Patrizia weiter, ehe sie sich wieder zur Tür wandte. „Ich brauche jetzt unbedingt einen schönen, starken caffè, ich habe nämlich ziemlich verschlafen! Die Nacht war kurz und anstrengend.“ Sie zwinkerte Ella verschwörerisch zu. „Möchten Sie mir vielleicht Gesellschaft leisten? Ach bitte, sagen Sie nicht nein!“
    Automatisch und wortlos folgte ihr Ella nach draußen und die Treppe hinunter. Im ersten Stock hielt Patrizia inne und wandte sich mit einem verschämten Lächeln zu Ella um.
    „Gehen Sie schon mal vor, Sie wissen ja bestimmt, wo die Küche ist“, bat sie. „Ich ziehe mir nur schnell etwas an.“
    Ohne Ellas Antwort abzuwarten eilte sie davon und Ella starrte ihr nach. Was sie sah, ließ sie endgültig an ihrem Verstand zweifeln: Marcos Frau öffnete zielstrebig die Tür zum Erotikkabinett und verschwand darin.
    Ella zwang sich mit äußerster Selbstbeherrschung, nüchtern zu reagieren. Sie wandte sich um, ging die Treppe hinunter in die Küche und setzte sich an den Küchentisch, um zu warten.
    Sie wartete auf Marcos Frau.
    Marcos Frau, die seit Jahren von ihm getrennt lebte und die nur noch auf dem Papier mit ihm verheiratet war.
    Marcos Frau, die in ihrem, Ellas, Morgenrock in seiner Villa herumlief, als sei sie noch immer hier zu Hause.
    Marcos Frau, die in seinem erotischen Spielzimmer verschwand, um sich umzukleiden.
    Ella konnte spüren, wie ihre Hände und Füße eiskalt wurden, als ihr Verstand langsam und bedächtig gegen ihren eigenen Willen begann, die einzelnen Mosaiksteinchen zusammenzufügen.
    Marcos sonderbares Verhalten zwei Abende zuvor.
    Marco, der schon lange nichts mehr von Scheidung und gemeinsamer Zukunft gesagt hatte.
    Marcos finstere Blicke bei ihrem letzten gemeinsamen Abendessen – sie hatte Eifersucht vermutet, aber war er vielleicht nur zu feig gewesen, ihr die Wahrheit zu sagen?
    Nein, widersprach sie ihrem Verstand, es gibt eine ganz harmlose Erklärung dafür. Das alles hat nichts zu bedeuten.
    Die Tür flog temperamentvoll auf und Patrizia kam herein. Statt des intimen Morgenmantels trug sie nun einen auf den ersten Blick erkennbar edlen und mit Sicherheit grenzenlos teuren Trainingsanzug. Sie war barfuß und Ella starrte die sorgfältig pedikürten Nägel an, als hielten diese eine Antwort für sie parat.
    Hatte sie bis zu diesem Moment noch darauf gehofft, dass Marcos Frau in Straßenkleidung mit der Handtasche unter dem Arm und dem Koffer hinter sich abreisefertig wieder auftauchen, den caffè trinken und sich dann mit einer höflichen Entschuldigung von ihr verabschieden würde, so sah sie mit einem einzigen Blick, wie unsinnig diese Hoffnung tatsächlich war. Diese Frau hatte nicht vor, das Haus sofort wieder zu räumen und sie
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