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Das Steinbett

Das Steinbett

Titel: Das Steinbett
Autoren: Kjell Eriksson
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Prolog
    Eidechsen flitzten blitzschnell und rastlos über die Mauerkrone. Sie kündigten die Sonne an, die in einer halben Stunde über dem Meer aufgegangen sein würde. Eine Gewohnheit der Eidechsen.
    Die Mauer hätte auch auf Irland stehen können. Es waren zwar andere Steine, aber sie war von gleicher Art. Stein auf Stein, scheinbar achtlos zusammengefügt, dennoch von schöner Zweckmäßigkeit. Anderthalb Meter hoch, umschloß sie den ganzen Garten und endete in einer Ecke des Grundstücks an einer Wand.
    Die graue Fläche des Eternitdachs wurde von dunklem Grün umrahmt. Ein paar Palmen, ein Zitronenbaum und andere Gewächse, deren Namen er nicht kannte. Er hatte einige ihrer Samenkapseln aufgelesen, sie geschüttelt, gelauscht und dunkle Samenkörner herausgepult. Sie sahen giftig aus. Glänzend schwarz, fast metallisch, lagen sie in seiner Hand wie geheimnisvolle Botschaften, und einen Moment lang erwog er, sie sich mit einer schnellen Bewegung in den Rachen zu werfen.
    Giftig? Na wennschon. Schön waren sie, und er hatte sie aufbewahrt, um sie auszusäen.
    Plötzlich begann es zu regnen. In den Wellen des Eternits sammelten sich Tropfen. Es glitzerte, wenn sie vom Dach rollten und auf die Erde platschten. Im Moment des Fallens funkelten sie. Es erschien ihm wie Musik. Er, der vollkommen unmusikalisch war, wurde von der schönen Musik der Tropfen gefangen.
    Reiß dich zusammen, dachte er, und im gleichen Moment hörte es auf zu regnen.
    Wellen rollten an den Strand. Am Abend zuvor hatte er versucht, ein System in den unaufhörlichen Bewegungen der Wellen auszumachen. Gab es eine bestimmte Frequenz? Sieben kleine und eine große? Einmal war es vollkommen still geworden, ohrenbetäubend still, so als hielte das Meer den Atem an. Zwei, drei Sekunden, nicht länger.
    Ableger von Blumen, die wie Ackerwinde aussahen, rankten sich um seine Füße. Er ließ Sand durch die Finger rieseln und blickte auf das Meer hinaus. In weiter Ferne stampfte ein Containerschiff vorbei. Er machte Pläne, war aber zu müde, um noch klar denken zu können, und zu fremd in dieser Landschaft, um sich in ihr geborgen zu fühlen. Ausgesetzt, dachte er, ich bin an diesem Strand ausgesetzt worden, und genau hier muß ich mich entscheiden.
    Aber statt Beschlüsse zu fassen, ging er zu dem kleinen Geschäft, das zugleich eine Bar war – eine Hütte aus Brettern und Blech, die sich an einen Baum lehnte. Ramon, von allen nur »der Bäcker« genannt, reichte ihm über die Kaugummipackungen auf der Theke hinweg die Hand.
    Ein älterer Mann, weißhaarig und mit tiefen Falten im Gesicht, beobachtete ihn aufmerksam. Dem alten Mann gegenüber saß eine Frau. Sie trug ein enganliegendes, grünes Kleid.
    Er bestellte ein Bier, ließ sich an dem zweiten Tisch nieder, nickte dem Alten zu und setzte das kalte Bier an die Lippen. Laß alles so bleiben, wie es ist, dachte er, hier an diesem Tisch. Von den Bergen kam das Wasser und aus dem Meer das Salz.
    »Lecker«, sagte er und wußte, daß er sich betrinken würde. Solange er trank, würde der Bäcker seinen Laden offenhalten.
    Er gab dem Bäcker einen Wink, auch dem alten Mann und der Frau ein Bier zu servieren.
    Wir sind die neuen Konquistadoren, dachte er und seufzte.
    »Probleme?«
    Sven-Erik Cederén nickte und hob die Flasche. Er war fünf- oder sechsmal in diesem Land gewesen, aber bislang niemals allein. Mit jedem neuen Besuch hatte sich seine Perspektive verschoben. Die ersten Male hatte er die üblichen Touristenlokale besucht, Rum getrunken und die Frauen beobachtet, jedoch nie die Initiative ergriffen. Jetzt ging er zum Bäcker, saß meistens schweigend an seinem Tisch und trank Presidente.
    »Wie lange werden Sie bleiben?« fragte der Bäcker.
    Das Paar am anderen Tisch drehte sich um und beobachtete ihn neugierig, so als wäre seine Antwort äußerst wichtig.
    »Noch eine Woche.«
    Der alte Mann hob seine Flasche.
    »Ich werde Land kaufen. Gleich hinter Gaspar Hernandez.«
    »Das ist ein Dorf voller Idioten«, meinte der Alte.
    »Wie sieht Ihr Land aus?« fragte die Frau.
    Er gab die üblichen Antworten, erzählte von der Kälte, dem Schnee, von den Wäldern und dem Eis auf den Seen, verstummte dann jedoch. Es gab noch etwas anderes, was er gerne sagen würde.
    »Wir leben …«, begann er zögernd, »wir leben ein ziemlich gutes Leben.«
    Er fing an, von seiner Tochter zu erzählen, und bestellte noch ein Bier. Der Bäcker öffnete eine Flasche Rum und schenkte ihm ein Glas ein. Seine Arme
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