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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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langen Schwimmstrecke nicht einmal mehr aufstehen konnte, um sie zu begrüßen.
    Sie streichelte über seine Flanke. Als er zusammenzuckte, hob sie erschrocken die Hand. So klebrig warm … Das war nicht das Wasser der Donau.
    »Du blutest ja. Mattim! Du bist verletzt!«
    Réka beugte sich nun ebenfalls über den goldenen Wolf. »Ich kann nichts erkennen … Meinst du, Atschorek hat ihn doch getroffen? Aber das geht nicht. Das darf nicht sein. Er ist sterblich als Wolf!«
    »Ich weiß«, sagte Hanna leise.
    Während das Grau des Morgens an Intensität zunahm und die Dinge klarer wurden, während der Fluss sich dunkel aus dem verschwommenen Bild heraushob und die beiden Wölfe schärfere Konturen gewannen, wurde auch sein Blick klarer und intensiver. Sein Auge, grau wie die Dämmerung und der neue Tag. Abschied. Wieder musste er alles in seinen Blick legen, was er nicht aussprechen konnte: So viel Liebe, so viel Bedauern, so viele Wünsche – und sie wusste, wenn er nur könnte, hätte er ihr die Welt zu Füßen gelegt. Stattdessen musste er sie schutzlos zurücklassen.
    Er schloss die Augen.
    »Nein! Das erlaube ich nicht! Du darfst nicht gehen!«
    Hilfesuchend drehte sie sich um.
    »Réka! Komm, schnell! Vielleicht kann ich ihn in einen Schatten zurückverwandeln, bevor er stirbt. Gib mir deine Hände!« Sie griff nach Rékas kleinen, kalten Händen und zog sie tiefer hinunter zu dem sterbenden Wolf.
    Es kam nicht auf die Worte an. Sie wusste es, während ihre Zunge mühsam nach den richtigen Silben suchte, während die Laute in ihrem Mund zerkrümelten und sie es nicht über die Lippen brachte, zu sagen: Hier, meine Seele, nimm daran teil. Hier, mein Leben, alles was ich bin, für dich … Gib es zurück, Réka, nein, gib es ihm …
    Es bedurfte keiner Worte. Es fühlte sich richtig an, so, wie es war, in der Stille, die immer tiefer wurde, immer dunkler, in diesem magischen Moment, bevor die Sonne über den Horizont kroch. Die Welt hielt den Atem an …
    Réka stieß einen tiefen Seufzer aus und stand auf. Sie wankte, und als Hanna zu ihr hochblickte, zitterte sie so stark, dass sie fast rücklings ins Wasser gefallen wäre.
    »Réka?«
    »Ich muss hier weg. Schnell …« Réka hastete über den Holzsteg zum Ufer, vom Wasser weg. »Wilder, wo ist die Pforte? Wo ist die nächste Pforte?«
    »Du bist wieder …«, begann Hanna, doch dann fiel ihr Blick auf den Wolf. Nein, kein Wolf mehr. Auf den Bohlen lag ein nackter Mann, seitlich zusammengekrümmt, die Wange auf dem Arm. »Mattim!«, rief sie. »Mattim, du musst hier weg, du bist zu nah am Wasser!« Er hatte kein Blut getrunken, das ihn schützte, und gleich würde die Sonne aufgehen, mindestens ebenso gefährlich wie eine Schusswaffe in Atschoreks Hand. »Beiß mich, schnell!«
    Sie umfasste seine Schultern, versuchte ihn hochzuziehen. »Mattim, was ist mit dir?« Noch hatte das Glück keinen Raum, noch war die Angst zu mächtig. »Beiß mich, mein Schatz, bitte!«
    Sie zog ihn höher, sah, dass die Wunde immer noch blutete, drückte ihn an sich, küsste ihn auf die kühle Wange, wollte seinen Mund an ihren Hals pressen … und merkte, dass er atmete. Er ächzte leise, seine Lider flatterten. Sie hielt ihn, seinen ausgekühlten, nassen, blutenden Leib, und tastete mit bebenden Fingern nach seinem Handgelenk.
    Ein Puls. Schwach, aber ein Puls.
    Hanna schluchzte auf. Sie wandte den Kopf.
    Réka war bereits verschwunden, hinter ihr sprang der rote Wolf die steile Rampe hinauf. Hanna fingerte ihr Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Dann zog sie ihre Jacke aus und deckte Mattim damit zu. Sie hielt ihn in ihren Armen und wartete, während die Sonne Besitz vom Himmel ergriff und mit rotglühenden Fingern über die Dächer kletterte.

FÜNFUNDDREISSIG
    Budapest, Ungarn
    Kommissar Bartók zuckte zusammen, als die dunkle Gestalt aus dem Schatten trat. Der Mann blieb so weit im Finsteren, dass sein Gesicht kaum zu erkennen war. Ein schwarzer Streifen schien sich über seine Wange zu ziehen. Bartók hatte nicht das Bedürfnis, näher hinzusehen.
    Ehrerbietig neigte er den Kopf. »Herr Magyar …« Dann, zögernd, fügte er hinzu: »König Kunun.«
    »Sie haben gute Arbeit geleistet«, lobte der Vampir. »Mehr war kaum möglich, wie ich selbst sehr gut weiß. Allerdings gibt es noch eine wichtige Angelegenheit zu klären.«
    »Ich habe mein Bestes getan«, versicherte der Kommissar. »Wir haben den Leuten erklärt, es sei ein Film gedreht worden. Allerdings hält
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