Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
Moment hörte sie die Verfolger schreien.
    »Verdammter Wolf!« Wieder zerriss ein Schuss die Stille.
    »Komm, schnell!«
    Die Mädchen rannten über die Brücke, so schnell ihre Beine sie trugen. Hanna warf einen Blick hinter sich – im Moment war keiner ihrer Verfolger zu sehen. Und wieder ein Schuss … aber keiner der Wölfe heulte auf. Vermutlich konnte selbst Atschorek nicht besonders gut zielen, wenn sich gerade ein wütendes Raubtier in ihren Arm verbiss.
    Sie liefen über die Brücke, ohne dass jemand ihnen folgte. Keuchend lehnte Réka sich gegen das Geländer. »Und jetzt? Wir müssen uns irgendwo verstecken. Irgendwo, wo die Wölfe uns finden, aber nicht die Schatten.«
    »Die Wölfe werden ins Wasser springen, wenn es eng für sie wird«, meinte Hanna, als ihr Atem sich einigermaßen beruhigt hatte und sie wieder sprechen konnte. »Wir sollten irgendwo am Ufer bleiben.«
    Hier war es jedoch unmöglich, nah ans Wasser zu gelangen. Die steile Betonwand würde es jedem Wolf verwehren, an Land zu klettern.
    »Die Insel«, sagte Hanna. »Hier, die Óbuda-Insel. Dort werden sie ankommen, wenn sie direkt über den Fluss schwimmen und sich nicht abtreiben lassen.«
    »Dann los«, meinte Réka. »Auf die Insel.«
    Zu Fuß war es ein weiter Weg. Doch solange sie ein Ziel hatten, konnte die Verzweiflung nicht Oberhand gewinnen. Konnte die Erinnerung an die fürchterlichen Schreie auf dem Heldenplatz sie nicht lähmen. War der Moment, als die Schatten auf Hanna zukamen, um sie zu beißen, keinen Albtraum wert, sondern flüchtig wie ein Bild, das sie beim Vorübergehen auf einem Plakat gesehen hatte. Ganz ließen sich die Sorgen allerdings nicht abwehren.
    Wo sollen wir hin? Wohin, wenn die Nacht erst vorbei ist? Gibt es einen Ort auf dieser Welt, an dem wir sicher sind?
    » Ein Hausboot auf der Donau«, schlug Hanna vor, während sie wieder einmal langsamer gingen. Laufen, gehen, laufen, gehen. Sie hatten nicht die unermüdliche Ausdauer von Schatten.
    »Ein Hausboot? Das könnte mir gefallen.« Réka lächelte. Alles schien möglich, wenn es ihnen nur gelang, diese Nacht zu überstehen. Als wenn Atschorek jemals aufgeben würde. Als wenn es möglich wäre, sie zu töten. Als wenn alles gut werden könnte, irgendwie, wenn sie nur die Insel erreichten.
    »Wohin zu so später Stunde?« Der Betrunkene, der auf sie zuwankte, grinste blöde. Dass beide Mädchen ohne zu zögern auf ihn losgingen und ihn heftig zur Seite schubsten, sodass er im Gebüsch landete, nein, damit hatte er wohl nicht gerechnet.
    »He, ich wollte doch nur nach der Uhrzeit fragen …«
    Sie hörten ihn schon nicht mehr. Dort war bereits die schmale Brücke auf die Insel.
    »Wir gehen zum Anleger«, sagte Hanna. »Mattim kennt die Stelle.« Dort, wo Kunun ihn fast getötet hätte. Dort, wo sie um ihn geweint hatte, zu früh … Allerdings kannte Atschorek diesen Ort auch.
    Wieder sah sie sich um, aber sie schienen hier tatsächlich allein zu sein. Der Wind rauschte in den Bäumen, und als sie einen Augenblick stehenblieb, merkte sie, wie die Kälte ihr bis in die Knochen drang. Die Kälte und die Erschöpfung. Fast kam es ihr vor wie ein Traum: die Schatten, die nach ihr griffen, und dann der Wolf, wild und zähnefletschend wie eine Bestie. Weder ihr Verstand noch ihr Herz wollte glauben, dass dieser Wolf, der sie aus der Mitte des Irrsinns holte, Mattim war …
    »Wo ist es?«, flüsterte Réka, als sie über die Wiese gingen und durch die kahlen Bäume den Fluss schimmern sahen.
    »Hier.« Sie führte ihre Freundin die Stufen zum Anleger hinunter. Das Wasser wisperte am Ufer. Über den Himmel zogen Wolken, tief und schwer, als wollte die Dunkelheit sich noch weiter herabsenken und die Erde berühren.
    »Da sind sie!«, rief Réka.
    Der Schreck fuhr Hanna durch die Glieder, denn im ersten Moment meinte sie, ihre Verfolger wären vor ihnen angekommen. Doch es waren die Wölfe, auf den Brettern des Stegs. Der hellere Wolf lag auf der Seite. Der andere saß aufrecht daneben, sein rötlicher Pelz in der aufziehenden Dämmerung fast farblos.
    »Wilder! Mattim!« Das Mädchen eilte auf sie zu, Hanna ihr nach. »Habt ihr Atschorek in Stücke gerissen? Habt ihr? Oh Wilder!« Réka schlang die Arme um den Wolf, der ihr schon so oft zur Seite gestanden hatte.
    Hanna kniete sich neben Mattim, der schwer atmend dalag, den Kopf auf den Brettern. Sie berührte sein nasses Fell. Er musste sich völlig verausgabt haben. Kein Wunder, dass er nach dem Kampf und der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher