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Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Autoren: Lena Klassen
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Prolog
    »Das ist eine Sekretärin. Und das – Himmel, die sieht aus wie die Schauspielerin aus dieser Serie, wie heißt sie doch gleich …«
    »Du spinnst, Valentina. Das ist eine amerikanische Touristin. Sie hat fünf Jahre gespart, um sich eine Reise nach Europa leisten zu können. Von Venedig war sie bitter enttäuscht, aber Budapest gefällt ihr ganz gut.«
    »Du hast recht! Réka, das gibt’s doch nicht – jetzt blättert sie in ihrem Stadtführer, wetten?«
    Die drei Schülerinnen, die tuschelnd und schwatzend im Café saßen und die Passanten draußen beobachteten, lachten laut auf, als die Frau, die vielleicht eine Schauspielerin war, vielleicht eine Amerikanerin und höchstwahrscheinlich nichts von beidem, mitten im Gedränge stehen blieb und in einem schmalen Buch blätterte.
    »Nein«, sagte Dorina, die Dritte im Bunde. »Das ist eine Studentin, die für eine Prüfung lernt. Und die da, was meint ihr? Eine russische Gräfin?«
    Auf das Café steuerte eine große, schlanke Frau zu, die einen langen, dunklen Pelzmantel trug. Ihr rotes Haar schmiegte sich glatt an ihre Wangen und leuchtete in den Strahlen der tiefstehenden winterlichen Nachmittagssonne. Beim Näherkommen bemerkten die Mädchen, dass sie sehr jung war, viel jünger, als ihr eleganter Auftritt vermuten ließ, höchstens Anfang zwanzig.
    »Nein«, widersprach Valentina. »Eine Russin würde eine Pelzmütze tragen. Und Handschuhe.«
    »Sie macht nicht den Eindruck, als ob ihr kalt wäre.«
    Anders als die meisten Menschen, die sie vorbeigehen sahen, hatte die Fremde keine blaugefrorenen Lippen, keine vom Frost gerötete Haut. Kühl und blass war ihr schmales Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den feinen, dunklen Brauen und den vollen, dunkelroten Lippen; kalt und dunkel waren ihre Augen.
    »Die hab ich schon mal gesehen«, sagte Réka langsam.
    »Eine Russin würde eine Pelzmütze tragen, egal ob sie friert oder nicht«, behauptete Valentina trotzig.
    »Kennst du sie wirklich?«, fragte Dorina. »Ich glaube, sie schaut dich an, Réka.«
    »Unsinn.« Dennoch duckte Réka sich unwillkürlich, als die Fremde auf sie zumarschierte, als hätte sie vor, nicht durch die Tür, sondern direkt durchs Glas zu gehen. »Ich kenne sie, aber ich weiß nicht mehr, woher. Irgendwo hab ich die Frau schon mal getroffen. Wenn sie nicht so auffällig wäre, würde ich mich gar nicht an sie erinnern.«
    Die Frau im Pelzmantel blieb vor der Scheibe stehen und starrte ins Innere des Cafés. Ihr Blick war auf das Mädchen gerichtet, einige lange Sekunden, bis Réka schon dachte, sie könnte es nicht mehr aushalten. Ihre Freundinnen lachten verunsichert.
    »Was ist denn mit der? Puh, ist die unheimlich!«
    »Die Scheibe spiegelt. Sie kann uns gar nicht erkennen, oder? Sie schaut nur, ob noch ein Platz frei ist.«
    »Jetzt hat sie einen gefunden, glaube ich. Sie lächelt.«
    Das Lächeln, das über das kühle Gesicht zog, verwandelte es völlig. Mit einem Schlag schien die Rothaarige den Schülerinnen nicht mehr unheimlich. Jetzt war sie nur noch die schönste Frau, der sie je begegnet waren.
    »Sie geht wieder«, flüsterte Dorina.
    »Nein, sie kommt her. Sie geht ins Café, ich sag’s doch, sie hat nur nach einem Tisch gesucht.«
    Doch die Fremde in dem Mantel setzte sich nicht an den frei gewordenen Platz, sondern kam direkt auf den Tisch der Mädchen zu.
    »Sziastok.« Sie lächelte freundlich.
    »Szia«, grüßte Réka verwirrt. »Kennen wir uns?«
    »Du hast etwas vergessen, als du das letzte Mal bei mir warst.« Die Frau steckte die Hand in ihre Manteltasche und zog etwas heraus.
    An einer langen, filigranen Goldkette pendelte ein großes goldenes, diamantenbesetztes Herz.
    »Wow«, stöhnte Valentina. »Ist das echt?«
    Nur zögernd nahm Réka das Schmuckstück entgegen. »Das muss ein Irrtum sein …«
    »Oh, bestimmt nicht. Das ist dein Geburtstagsgeschenk. Du hast es vor dem Kamin liegenlassen.« Die Frau lächelte versonnen. »Dein Geburtstag. Ich kann dir nur gratulieren. Fünfzehn und immer noch am Leben.« Sie nickte den beiden anderen Mädchen zu. »Entschuldigt. Wenn Réka mich nicht vorstellen mag, tue ich es eben selbst. Ich bin Atschorek. Ihr könnt mich gerne einmal in meiner Villa besuchen, zu Tee und Kuchen – nun, wie sieht es aus, habt ihr Lust dazu?«
    »Mein Gott, ja«, hauchte Dorina. Heimlich stieß sie Réka an. »Was du für Leute kennst!«
    Réka starrte immer noch auf das goldene Herz. Es konnten keine echten Diamanten sein. Warum
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