Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Volkssagen, Maerchen Und Legenden

Titel: Volkssagen, Maerchen Und Legenden
Autoren: Johann Gustav Buesching
Vom Netzwerk:
Vorwort.
     
    Sagen und Mährchen werden gemeiniglich in früher Jugend den Kindern vorgeführt, es ist gleichsam eine süßere und mildere Speise, die man ihnen einflößt, da sie die härtere und rauhere, welche das wirkliche Leben und seine Geschichte uns giebt, nicht ertragen können. Ein rosenrother Morgenhimmel geht dem Kinde auf, es lebt in einer Welt unschuldiger Träume, und es wird wohl nicht leicht einer von uns so unglücklich gewesen sein, daß ihm diese Freude der Kindheit ganz entgangen ist. Späterhin kehren wir stets mit Lust und Liebe wieder dahin zurück, und das Erzählen der Mährchen den Kindern, die nun auf unsere Stimme lauschen, wie wir einst auf die Töne der Erzähler, ist nicht bloß Wohlgefallen, die Kinder zu erfreuen, (da lassen wir uns oft manche Fehler zu Schulden kommen), sondern die ewig rege und unwandelbare Liebe am Mährchen selbst, die in uns wohnt und der wir Freiheit geben.
    Es sei mir erlaubt, zum Eingange dieses Buches zu erzählen, wie die Mährchen und Sagen in mein Leben eintraten. Mancher wird glauben, ich wiederhohle das, was in seinem Innern vorging; denn die ersten Empfindungen der Kinder sind sehr gleichmäßig und einfach, es herrscht ein allgemeiner Grundakkord, aus dem sich die andern erst entwickeln. Diesen Bildungsverwandten ist das Büchlein besonders gewidmet, so wie allen geliebten Personen und lieben Freunden, die meinem Treiben nicht abhold sind. Andern, die einen verschiedenen Weg gingen, mögen diese Erzählung als ein Mährchen betrachten, das ich zum Eingange ihnen darbiete; denn es mag auch wohl ein halbes Mährchen sein, da der kindischen Tage duftige Nebelzeit mir wieder klar werden muß. Sie mögen die kleinen Gestalten, die durch meine Phantasie zogen und sie belebten, als das stille Volk betrachten, das einst die einsamen Vesten Deutschlands durchwandelten, und Freude mir, wenn diese Gebilde ihnen nicht ganz unlieblich erscheinen.
     
Wie die Lust an Mährchen sich in mir entwickelte, oder die Geschichte der Entstehung dieses Büchleins.
    Meinen Eltern geboren, um sie einigermaßen über den Tod eines innigst und höchst geliebten Töchterleins, der wenige Zeit nach meiner Geburt erfolgte, zu trösten, mit der ich zugleich alle jüngern Geschwister verlor, gingen meine ersten Entwickelungsjahre einsam hin. Das Kind fühlt dies noch nicht, die nährende Amme, die mit ihm tändelnden und scherzenden Eltern sind ihm genug. Aber schon um mein drittes Jahr erinnere ich mich einer großen Sehnsucht nach einem Gefährten und Gespielen, und wohl weiß ich noch die Freude, die ich hatte, als mir ein Brüderlein geboren ward. Die Lust dauerte nicht lange, mein Brüderchen starb bald wieder und versetzte mich, das Kind, in eine nicht geringere Klage, als meine Eltern, und wohl weiß ich noch, wie ich am Fenster des Zimmers stand, worin mein kleiner Bruder entweder starb, oder sein Leichnam lag, und mich durch die Tröstungen der Wärterin kaum beruhigen, kaum meine Thränen anhalten konnte. Das Kind vergaß diesen Schmerz bald.
    Nun war ich wieder allein, die Lust an Gesellschaft, an gemeinschaftlichem Spiele erwachte immer mehr, die Besuche der Nachbarskinder genügten mir nicht, auch entstand unter den verschieden gestimmten häufig Streit und Zank, alle Freude ward zerrissen und dann war ich auch, nach meinen Wünschen, viel zu oft allein. Eine treue Wärterin, eine sorgfältige, stets bemühte Tante, eine mich über alles liebende Mutter spielten wohl mit mir, und selbst der Vater versagte es mir nicht, Abends, nach seiner Arbeit, Soldat und dergleichen zu spielen, und mit einem Stocke Schildwach zu stehen; aber alles genügte mir nicht und da es immer nicht das Rechte war, was meine Seele wünschte, so ward ich oft im Spiele unartig und das Spielen war vorbei. Die Leute waren mir alle zu groß, ich wollte kleine Persönchen haben, so groß wie ich; mit denen ließ sich besser spielen, hier spielte ich nur, und man spielte mit mir; es ging nicht so recht vom Herzen.
    Da sing ich nun an, meine Mutter angelegentlichst zu bitten, sie möchte mir ein Brüderchen oder Schwesterchen verschaffen, darin erkannte ich das einige Heil. Man verwies mich zur Ruhe; ich bat wieder, dringender und ward mit der Nachricht beschwichtigt, wenn ich recht artig wäre, sollten meine Wünsche erfüllt werden. Das versprach ich; aber ich muß nie so artig gewesen sein, denn meine Wünsche wurden nicht erfüllt. Von jener Zeit mag auch wohl die Wurzel eines für mich unendlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher