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Loreley

Titel: Loreley
Autoren: Kai Meyer
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überliefert, darunter Lurlinberg, Lurleberg und Lorberg. Erstmals erwähnt wird der Fels in den Fuldaer Annalen aus dem neunten Jahrhundert.
    Bis heute streiten sich die Gelehrten, worauf der Be g riff Loreley in seinen unte r schiedlichen Schreibweisen zurückzuführen ist. Einig ist man sich nur über die E n dung ›ley‹, die so viel heißt wie Fels, im rheinischen Sprachraum Schieferfels. Die Bede u tung der ersten Silbe aber bleibt ungewiss. Die einen führen sie auf das mitte l hochdeu t sche Wort für ›lauern‹ zurück, ›lur‹ oder ›lure‹. Andere behaupten, sie stehe im Z u sammenhang mit der Flussgöttin Lohra, die einst von den Anwohnern des Rheins verehrt wurde.
    Mir persönlich gefällt vor allem die Deutung, die Silbe verweise auf den König der Zwerge, Laurin, und andere verschollene Elfennamen. Die Loreley wird dadurch zum Zwergen- und Elfenfels, was wunderbar zu dem alten Aberglauben passt, im Inneren des Berges sei ein Zugang zum Feenreich verborgen – eine Annahme, die der Fels wohl seinen zahlreichen Spalten und höhlenartigen L ö chern verdankt.
    Auch das starke Echo, das einem aus den Felsklüften des Berges entgegenschallt, hat Anlass zu vielerlei myst i schen Deutungen gegeben. Schon im dreizehnten Jah r hundert kündete ein Sänger von e i nem ›cleines getwerc‹ – einem kleinen Zwerg –, der aus den Felsen des Lurli n berges geantwortet habe, als der Spielmann lautstark sein Elend beklagte. Zweihundert Jahre später sang ein and e rer Musikant von seinem Versuch, das Echo des Berges wie ein Orakel um Rat zu befragen. Der Heidelberger Professor Marquard Freher berichtete 1613 in seiner G e schichte der Pfalz, in früheren Zeiten habe man rund um den Berg an Pane und Bergnymphen geglaubt, denn das Echo erschöpfe sich nicht allein in der einfachen Wi e derholung von Tönen, sondern vervielfältige und verze r re sie. In Reis e führern des neunzehnten Jahrhunderts ist von bis zu fünfzehnfachen Wiederholungen die Rede, was darauf schließen lässt, dass das Echo der Loreley damals stärker war als heute.
    Während meiner Recherchen stellte ich fest, dass die Sage von der blonden Jungfrau, die vorbeifahrende Boot s leute durch ihren Gesang ins Verderben lockt, ke i nesfalls altüberliefert ist wie die meisten derartigen L e genden. Tatsächlich hat sie ihre Wurzel in einer Ballade des Dic h ters Clemens Brentano, die er 1802 in seinen Roman ›Godwi‹ einarbeitete. Erzählt wird die Geschichte des Mädchens Lore Ley, das alle Männer mit seiner Schö n heit betört. Als ausgerechnet jener, den sie selbst über alle Maßen liebt, sie betrügt, verlangt sie vom B i schof ihren eigenen Tod, da ihr Anblick alle Männer ve r derben müsse. Der Bischof aber schickt sie als Nonne in ein Kloster. Auf dem Weg dorthin bittet sie ihre Bew a cher, noch einmal vom Felsen aus einen Blick auf die Burg i h res Geliebten werfen zu dürfen. Sie entdeckt den jungen Mann in einem Boot auf dem Rhein, und blind vor Liebe stürzt sie sich den Berg hinab in die Fluten und stirbt.
    Viele andere Autoren, darunter Joseph von Eiche n dorff und natürlich Heinrich He i ne, haben Brentanos Dichtung aufgegriffen und abgewandelt, einige ganz g e zielt in der Absicht, die Geschichte als mittelalterliche Legende auszugeben. Das Original wurde dabei zahll o sen Veränderungen unterworfen, und so wurde mit den Jahren aus dem tragisch verliebten Mädchen die Nixe n gestalt Loreley, nicht selten gar eine böse Hexe.
    Die im Roman angesprochenen historischen Ereigni s se haben wie beschrieben stattgefunden. Die Geschichte des Ketzers Fra Dolcino ist verbürgt, ebenso das Attentat auf Papst Clemens, in dessen Verlauf ein Edelstein aus seiner Tiara verloren ging.
    Unter adligen Gastgebern war es zeitweise tatsächlich Sitte, einem befreundeten Besucher die Tochter oder Ehefrau mit ins Bett zu geben. Man darf annehmen, dass es dabei nicht immer so sittsam wie vorgesehen zuging. Auch kam es vor, dass eine Frau ihre Hälfte des Ehebe t tes räumen musste, um Platz für einen Gast zu schaffen. Was heute schwer vorstellbar erscheint, war damals w e der unüblich noch anstößig.
    Gang und gäbe war es auch, Spielleute einer eigenen Gesetzgebung zu unterwerfen. Nicht überall waren die bunten Gecken gern gesehen. Von einer Schattenkö p fung, ähnlich der im Roman beschriebenen, ist in einer Glosse des ›Sachsenspiegels‹ die Rede. Kein Wunder, dass sich mehr und mehr Musikanten zu einer – den Handwerk s zünften
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