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Lokalderby

Titel: Lokalderby
Autoren: Jan Beinßen
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Rücken lösen, der schlampig gebunden war. Paul brauchte keine halbe Minute, um loszukommen.
    Den Ringkampf hatte Fränki inzwischen für sich entschieden. Nach wie vor war er Herr über den Schraubenschlüssel und machte sich mit einem beherzten Fußtritt von der wie eine Klette an ihm hängenden Wagner frei. Diese erhob sich um Atem ringend, aus ihrem linken Nasenloch tropfte Blut.
    Paul wartete keine Sekunde länger: Er sprang auf, wobei der Stuhl krachend zu Boden fiel. Ehe die beiden anderen verstanden, was vor sich ging, ergriff er die Flucht. Er orientierte sich, sah, dass das Tor mit einer Eisenkette gesichert war, wählte die andere Richtung. Hinter einem Stapel Kisten und Kartons wollte er Deckung suchen, um von dort aus mit seinem Handy Hilfe anzufordern.
    Er rannte um sein Leben. Knappe vier oder fünf Meter weit gekommen, tat es dicht neben ihm einen Schlag. Fränki hatte mit dem Schraubenschlüssel nach ihm geworfen!
    Paul lief weiter, so schnell ihn seine Beine trugen. Kaum hatte er das Kistenlabyrinth erreicht, duckte er sich und kroch zwischen den Kartons hindurch. Zum Glück war es in diesem Teil der Halle stockdunkel, sodass ihn seine Häscher nicht so leicht finden konnten. Er hörte zwar ihre Schritte, aber diese wirkten orientierungslos und unkontrolliert.
    Mit zitternden Händen durchforstete er seine Taschen nach dem Handy. Dabei bemühte er sich, ganz leise Luft zu holen, um seinen Standort nicht durch hektische Atemgeräusche zu verraten.
    »Suchen Sie etwa Ihr Handy?«, erklang plötzlich Ivonne Wagners Stimme. Laut und deutlich. Sie konnte demnach nicht weit von ihm entfernt sein.
    Paul presste sich die Hand vor den Mund, als er ein weiteres Geräusch vernahm: ein leises Klappern, wie es von einem Plastikteil verursacht wird, wenn es zu Boden fällt. Gleich darauf ein kräftiger Tritt, gefolgt von einem sandigen Knirschen.
    »Tja«, ätzte die Wagner. »Mit dem Ding werden Sie nie wieder telefonieren.«
    Verdammt! Sie hatten ihm das Handy tatsächlich abgenommen. Paul war geliefert, er saß in der Falle. Was konnte er jetzt noch tun?
    »Kommen Sie freiwillig raus, oder sollen wir Ihnen Dampf machen?«, rief sie. Sie war jetzt viel näher dran, das hörte er an ihrer Stimme. Eine Frage von Minuten, bis sie ihn aufgestöbert hätten und – daran bestand für Paul kein Zweifel mehr – ihn töten würden.
    In seiner Verzweiflung hallten Ivonne Wagners Worte in seinem Kopf wider: »Sollen wir Ihnen Dampf machen?«
    Plötzlich merkte er, wie sein Herz einen Satz machte. Ivonne Wagners letzte Drohung brachte ihn auf eine Idee!
    Die Kästen rings um ihn herum waren mit Feuerwerkskörpern gefüllt. Er hatte neulich Nacht ja selbst beobachten können, wie sie von den Bad Boys bestückt worden waren. Zwar hätten sie nach Jasmins Anweisungen längst entsorgt und vernichtet werden sollen, doch offenbar hatte niemand die Umsetzung der Anordnung überprüft. Zum Glück: Diese Nachlässigkeit der Behörden konnte Paul nur recht sein!
    Abermals fingerte er in seinen Taschen, fand diesmal auf Anhieb, was er suchte. Im nächsten Moment hielt er sein altes, abgenutztes Zippo in der Hand und hoffte inständig, dass es funktionierte.
    Ja, es tat ihm den Gefallen: Das Benzinfeuerzeug reagierte schon aufs erste Reiben des Feuersteins. Eine knallgelbe Flamme loderte auf. Paul zögerte nicht, sie an den Deckel des nächsten Kartons zu halten. Sogleich züngelte sie begierig an der Pappe.
    »Verflucht! Was ist das?«, schrie Ivonne Wagner, als sie den lodernden Schein bemerkte. »Los, Fränki, schnapp ihn dir!«
    Doch dafür war es zu spät. Kaum hatte sie ihren Befehl ausgesprochen, brach in der Halle die Hölle los. Paul warf sich flach auf den Boden und hielt sich beide Hände über den Kopf, als sich unmittelbar über ihm eine geballte Ladung Schwarzpulver entzündete.
    Es knallte ohrenbetäubend, gleichzeitig stoben Raketen mit grell blitzendem Schweif in alle Richtungen auf. Heißer Schwefelgeruch legte sich wie Nebel um ihn, glühende Asche und Funken brannten sich durch sein Hemd in die Haut. Doch Paul biss die Zähne zusammen und blieb liegen.
    Über das Krachen der explodierenden Böller und das Zischen der Raketen hinweg hörte er das aufgeregte Geschrei von Ivonne Wagner und Fränki. Sie schienen nicht zu wissen, ob sie ihre Suche nach Paul fortsetzen oder sich selbst in Sicherheit bringen sollten. Paul hob vorsichtig den Blick: Im Schein der Bengalos konnte er sehen, wie die beiden kopflos hin –
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